Mittwoch, 30. April 2008

Am Anfang war noch nicht der Pflasterstein

Am Anfang war noch nicht der Pflasterstein


Anfang der neunziger Jahre waren die Hausbesetzer in Berlin schwer aktiv. Hans Günther Bücking und ich wohnten in der Pallasstrasse in der Nähe des Winterfeldtplatzes und da gab es eine Demo nach der anderen. Ich war zu Hans gezogen und wir hatten eine nette Wohnung im Hinterhof. Leider hatte uns keiner erzählt, dass man Geschirr auch abwaschen kann und sobald sich Schimmel zeigte stellten wir deshalb die Küche unter Quarantäne und gingen essen, bis sich mal ein weibliches Wesen erbarmte und uns versuchte zu zeigen wie man eine Küche wieder nutzbar macht. Wir nahmen diese Hilfe immer dankbar an.
Manchmal kam diese Hilfe auch zu spät, dann warfen wir das Geschirr in den Müll. Es ist schon erstaunlich wie viele Schimmelvarianten es auf der Welt gibt und ich überlegte schon die Filmerei sein zu lassen und mich auf Schimmelpilze zu spezialisieren.
Das hört sich jetzt an als wären wir superfaule Säcke gewesen, stimmt aber so nicht. Die Arbeitstage beim Film sind nicht mit normalen Arbeitstagen in einer Firma zu vergleichen. 12 Stunden Arbeitszeit pro Tag waren bei uns einfach normal und es konnten auch leicht mal 14 oder 16 Stunden daraus werden und dies über Wochen und Monate, bei Schnee und Regen, zu den unmöglichsten Tageszeiten. Die Ausrüstungen wiegen leicht mal 100 Kilo und die karrt man Tag für Tag von Ort zu Ort. Bei der Arbeit muß man sich höllisch konzentrieren damit nichts schief geht, der kleinste Fehler kann einfach Tausende kosten, die Verantwortung ist groß. Nach spätestens 14 Tagen ist man platt, kommt von der Arbeit, geht nur schnell was essen und schläft dann bis der Wecker wieder klingelt. Kein Mensch stellt sich dann mehr in die Küche und wäscht brav ab, die meisten machen zu Hause gar nichts zu essen sondern gehen nur schnell was essen, verdienen tut man ja genug.
Hans war länger im Geschäft als ich und hatte immer die besseren Filme mit den berühmteren Kameramännern, galt als der beste Assistent in Deutschland, mußte dafür auch immer schwere 35 mm Ausrüstungen in den dritten Stock tragen, ich hatte es meistens mit den leichteren 16 mm Ausrüstungen zu tun, dafür waren die Filme die ich machte eher leichte Kost und wurden schnell vergessen.
Eines Tages, es gab mal wieder eine Demo und ich hatte große Mühe gehabt überhaupt neben den Mannschaftswagen der Polizei einen Parkplatz zu finden, kam Hans völlig blau geschlagen mit einer 35 mm Arri auf der Schulter in der Wohnung an. Er hatte nur mal schauen wollen was da am Winterfeldtplatz abging als die Demonstranten einen Ausbruchsversuch aus dem Polizeikessel starteten und genau in seine Richtung liefen, die Bullen hinterher.
Da er natürlich mit der schweren Kamera auf der Schulter nicht so schnell laufen konnte, liessen die Bullen ihren Frust an ihm aus, deshalb die blauen Flecken.
Wir hatten kaum unsere Ausrüstungen in unseren Zimmern verstaut, die aussahen wie ein mittlerer Kameraverleih, da wummerte es an der Tür: Aufmachen, Polizei. Wir öffneten und eine halbe Hundertschaft Bullen stürmte in unsere Wohnung auf der Suche nach Demonstranten. Sie nervten uns mit Fragen über die Kameraausrüstungen und dachten allen Ernstes das sich bei uns Demonstranten versteckt hielten. Die Durchsuchung endete als ein Polizist mit einer Taschenlampe unsere Abstellkammer durchsuchen wollte, leider war da schon seit Monaten die Birne kaputt, er übersah einen querliegenden Besen und fiel voll auf die Fresse mitten in unsere Kammer.
Nun zogen sie wieder ab. Es war ein Schicksalswink, denn am nächsten Tag erhielt ich einen Anruf vom Saarländischen Rundfunk, ich sollte einen Film über die Hausbesetzerszene machen.
Ich setze mich also ins Flugzeug und flog nach Saarbrücken. Das imponierendste am SR war die Lage der Studios auf dem Halberg und die Kantine. Ich habe nie wieder so ein super Kantinenessen bekommen, feinste französische Küche kann ich nur sagen.
Kameramann war Michael Faust mit dem ich viel Spaß hatte, Regie führten ein Jens und ein Bernd.
Der Dreh selbst war in Berlin und dadurch erhielt ich tiefe Einblicke in die Hausbesetzerszene und in die teils absurden Polizeimethoden, die Häuser zu räumen. Am Ende gehörten beide Gruppen nicht gerade zu meinen bevorzugten Freunden.
Einmal drehten wir bei Hausbesetzern in einem Haus zwischen den Yorckbrücken und dem Bülowbogen. Diese Jungs waren echt fit und hatten das Haus gut renoviert. Wir sassen dort beim Kaffee, als wir eine Hundertschaft über die Gleise anschleichen sahen. Als wir rausgingen war das Haus von gut 200 Bullen umzingelt. Als wir mit laufender Kamera nach dem Grund fragten erhielten wir vom Mannschaftsführer die wohl dümmste Antwort, die ich je gehört habe. Er sagte auf einer Baustelle in der Nachbarschaft sei eine Schubkarre geklaut worden. Dies sei angezeigt worden und dieser Anzeige würden sie jetzt nachgehen.
Lachhaft - mit 200 Leuten ? Als mein Autoradio kurz danach aus dem Auto geklaut wurde und ich die Polizei anrief kam nicht einer, ich mußte zur Polizei fahren.
Die anderen Hausbesetzer in einem Haus in der Potsdamerstrasse in dem wir meistens drehten waren Superpfeiffen. Auf die Frage was es denn ausmache in einem besetzten Haus zu leben, kam die stereotype Antwort, fast wie auswendig gelernt: Zusammen leben, zusammen arbeiten.- Nur mit Arbeiten klappte das nicht so sonderlich, nur mir Mühe und ein paar Kisten Bier konnten wir sie dazu bringen mal etwas an dem Haus zu tun, damit wir auch was zum Filmen hatten.
Das schlimmste aber war, das die Intelligenten unter ihnen noch ein Zimmer bei Mutti hatten, zur Sicherheit. Die spornten zwar die anderen zu Straftaten an, Scheiben einschlagen usw. hielten sich aber dabei dezent im Hintergrund. Die Looser waren die Dümmeren, sie hatten kein zu Hause mehr und wenn sie erwischt wurden waren sie fällig.
Meine Sympathie für die Szene wurde dabei immer kleiner. Natürlich gab es da auch die wirklichen Hausbesetzer wie die Jungs in der Bülowstrasse, die was taten und unheimlich aktiv waren. Leider waren die meisten aber nur dabei weil die ganze Szene wie ein riesiger Abenteuerspielplatz war.
Die Polizeiseite war um keinen Deut besser. Als ich Wochen später als Kameramann für das ZDF den Abbruch eines Hauses in Wannsee filmte und mit C- Rohren Wasser auf das Gebäude gespritzt wurde damit es nicht so staubte, sah ich einen Polizisten zu einem Mann mit der Spritze gehen und auf mich zeigen. Keine fünf Minuten später schoß der Idiot mir mit voller Absicht aus fünf Meter Entfernung mit einem Hochdruckwasserstrahl die 60 000 DM teure Kamera aus der Hand. War natürlich ein Unfall keine Absicht, nach Aussage der Polizei.
Ich hatte beim SR gut verdient, etwa 7000 Brutto, hatte auch schon 1500 DM Vorschuß erhalten. Meine Augen wurden immer größer als ich die Schlußabrechnung bekam: ich sollte 400 Mark zurückzahlen. 7000 brutto nur 1100 netto, unmöglich. Ich rief also beim SR an und bat um Korrektur. Die Antwort war: Unser Computer irrt sich nicht. Ich ließ mir von einem Steuerberater die Summe ausrechnen. Ich hatte noch etwa 3500 Mark zu bekommen nicht 400 zurückzuzahlen. Ich rief wieder an, Ich kannte die Antwort schon: Unser Computer irrt nicht. Auch eine Argumentation mit Logik bei der ich zum Beispiel Höchststeuersätze erwähnte, Beispiele anführte usw. ließ die Abrechnungsabteilung nicht erweichen.
Ich rief die Rechtsabteilung des SR an. Der Mitarbeiter dort blickte sofort durch und gab mir Recht und bestätigte mir das die Abrechnung niemals stimmen könne. Er rief die Abrechnungsabteilung an und erhielt als Antwort: Unser Computer irrt nicht.
Nun rief er mich an und gab mir einen guten Rat: ich solle Klagen und brauche mir keine Gedanken zu machen, der SR habe noch nie einen Prozess gewonnen.
Soweit kam es dann nicht, denn auf ein Schreiben meines Anwalts erhielt ich mein Geld.
Trotzdem erinnere ich mich gerne an diesen Sender, denn ich habe dort wirklich nette Leute kennen gelernt.
Das nächste Mal kommen wir zu neuen Filmen und Korruption beim Sender in der Bananenrepublik Deutschland.

Da ich im Stress bin, schreibe ich nur noch selten, sorry wird aber anders. Falls irgendwann mal nichts mehr kommt bin ich tot, habe gestern Abend in meinem Schlafzimmer einen Skorpion entdeckt. Als Tierfreund wollte ich ne Schaufel holen und ihn im Garten absetzen. Als ich wiederkam war er weg, jetzt muß ich aufpassen wenn ich was aufhebe, irgendwo steckt das Vieh.
Es geht nicht mit Korruption bei deutschen Fernsehanstalten weiter, da das zu lange dauert, es kommt ein anderes Mal.
Eike der Produktionsleiter rief mich wegen eines Films an, endlich mal was Gutes. Regie Wolfgang Staudte, jawohl der Berühmte. Darsteller Klaus Maria Brandauer, Heinz Bennent, Anne Bennent, Nicole Heesters, Kamera machte Lajos Koltai der auch schon Mephisto gedreht hatte. Na das war doch was. Der Snob ( von Carl Sternheim ), hieß der Film
Koltai war ein Superprofi, ein ganz ruhiger besonnener Kameramann, wahnsinnig nett, wir kamen prima miteinander aus. Ich war sofort Staudtes Liebling, übrigens ein wirklich guter Regisseur. Staudte drückte mir 5 Packungen Reval in die Hand, sagte mir er finde seine Zigaretten nie, ich solle sie im Motiv verteilen. Immer wenn er eine rauchen wollte, sagte er, der Kamera-Assistent ( ich also ) muß dringend eine rauchen, unterbrach, kam zu mir gestürzt und fragte nach seinen Kippen. Dann rauchten wir eine und dann gings weiter.
Brandauer war sehr nett und kollegial, versuchte ständig das Team aufzuheitern. Es war angenehm mit ihm zu arbeiten. Die Bennents waren sehr zurückhaltend, nicht unfreundlich aber irgendwie nicht von dieser Welt. Ich stellte mir immer deren Situation zu Hause vor, an einem großen Tisch sitzend und sich abwechselnd gegenseitig mit literarischen Zitaten bombardierend - eine fremde total vergeistigte Welt. Bennent war einer meiner Lieblingsschauspieler.
Nicole Heesters war eine Seele von Mensch, immer freundlich und guter Laune. Brandauer und Bennent waren nun ja beide Topschauspieler und natürlich wollte jeder dem anderen zeigen wie gut er ist und auch beweisen, das er besser als der andere war. Das konnte natürlich nicht offen geschehen, deshalb kann ich mich auch täuschen in dem was ich glaubte zu erkennen.
Beide bemühte sich sehr um die Sympathie des Teams, das war für Brandauer als Kumpeltyp natürlich einfacher als für Bennent, der eher ein weltfremder, abgehobener Intellektueller war.
An eine Szene dieses Kampfes der beiden Schauspielgiganten kann ich mich noch gut erinnern. Bennent war ein militanter Nichtraucher im wahren Leben. In einer Szene mußte er Brandauer eine Zigarre anbieten und anzünden. Brandauer war im Film ein Aufsteiger, der um die Hand seiner Tochter bat. Brandauer ging zu Staudte und sagte er habe eine gute Idee: da er als Aufsteiger natürlich nervös sei auf den Schwiegervater zu treffen, mache er natürlich viel falsch. Also ließ er sich die Zigarre von Bennent anzünden und blies ihm den Rauch quer übers Gesicht, sodaß sogar Bennents Haartolle sich etwas hob. Staudte fand das gut und selbst Bennent sagte das sei eine fantastische Idee. Ich glaubte ihm ansehen zu können, daß er Brandauer am liebsten erwürgt hätte. Nun kam Bennents Rache. Da Brandauer tief an der Zigarre ziehen mußte, war das natürlich nicht sehr angenehm für ihn, Zigarrenraucher machen das nicht. Also patzte der sonst so perfekte Bennent mehrmals hintereinander, bis man Brandauer ansah, daß ihm schon richtig schlecht war. Das ganze passierte aber mit aller Freundlichkeit, dieser Kampf der beiden war nur ganz unterschwellig zu bemerken.
Jedenfalls war es eine Freude diesen beiden hervorragenden Schauspielern bei Ihrer Arbeit zuzusehen, ich habe viel dabei gelernt.
Nächstes Mal kommt vielleicht Korruption, wenn ich nicht viel Zeit zum Schreiben habe was anderes.