Mittwoch, 28. Februar 2007

Hurra, ich bin beim Film, Teil 2

Ich bewarb mich überall, ohne Erfolg, bis mir jemand steckte das Brunnemann der Chef alle Synchronkollegen von sich angerufen hatte und sie vor mir gewarnt hatte.
Doch dann passierte das Wunder, eine Firma antwortete. Geyer Synchron hatte meine Bewerbung in eine andere Abteilung gegeben zum Kopierwerk. Die Geyer Werke waren damals das beste Filmkopierwerk in Berlin. Dort wurden Profifilme in 35 und 16 mm entwickelt und kopiert. Besser als gar nichts. Ich stellte mich dort vor. Herr Rabs der Kopierwerksleiter war ein kompetenter Mann, ich solle erstmal anfangen sagte er und dann innerhalb des Kopierwerks durch verschiedene Abteilungen rotieren. Ich sagte zu. Es gab richtig Geld für diesen Job und das Betriebsklima war gut. Ich landete zuerst in der Filmvorführung, eine Art Kino in der die Kopien vor Auslieferung an den Kunden geprüft wurden. Ich war plötzlich Filmvorführer. Dort saß Karla. Sie sah aus wie eine Lehrerin, war korpulent und etwa 2 Jahre vor ihrer Pensionierung. Sie trug ein dicke Brille mit Flaschenböden und mußte trotzdem kurz vor der Leinwand stehen um den Film sehen zu können. Trotz dieses Handicaps war sie super in ihrem Job, eine Seele von Mensch und fortan wurde ich von ihr bemuttert und versorgt. Jeden Morgen gab es irgendetwas zum Naschen. Ich nahm innerhalb kürzester Zeit 5 Kilo zu. Auch die anderen Mitarbeiter waren supernett und ich fühlte mich in dieser Beziehung sauwohl dort, obwohl der Job als Vorführer nicht so toll war. Wir prüften nämlich zwischen 8 und 10 erstmal Pornofilme, ziemlich eklige Produktionen waren dabei. Hin und wieder sah ich Kinofilme, lange bevor sie ins Kino kamen. Ich lernte Wim Wenders zu hassen. Seinen Film „ Im Lauf der Zeit „, der sowieso Überlänge hat, mußte ich 35 mal ansehen. Seitdem ist mein Bedarf an Wim Wenders gedeckt und in meinen schlimmsten Albträumen sehe ich Rüdiger Vogler irgendwo in die Pampa kacken ( eine Szene aus dem Film ).
Es gab irgendwo eine Stempeluhr und ich kam jeden morgen zu spät, nur 5 Minuten, aber zu spät, denn es war in der ersten halben Stunde eh nichts zu tun. Nach Wochen mußte ich deshalb zum Chef. Er fragte mich warum ich immer zu spät käme, ich erklärte ihm das eh nichts zu tun sei und ich außerdem fast jeden Tag Überstunden mache, es sei doch viel wichtiger für die Firma, wenn jemand dazu bereit sei. Er schaute mich kurz an und sagte: Kommen Sie wann sie wollen, Hauptsache sie kümmern sich auch nach Dienstschluß um unsere Kunden. Ja das war Geyer, eine wirklich gute Firma mit toleranten Bossen, die auch mal mitdachten.
Mit Karla hatte ich ein super Verhältnis und mit den anderen Mitarbeitern auch, ich habe dort nicht einen einzigen unangenehmen Typen getroffen, leider blieb ich erstmal in der Vorführung und kam erst viel später in andere Abteilungen. Dann bekam ich zwei Praktikanten Jürgen und Kai, die waren sehr nett und wir verbrachten viel Zeit zusammen. Sie machten das Praktikum, weil sie es für eine Fachhochschule brauchten in der man zum Kameraassistenten ausgebildet wurde.
Kameraassistent hörte sich interessant an. Man brauche mittlere Reife, ein halbjähriges Praktikum und müsse eine Aufnahmeprüfung bestehen erfuhr ich. Die Aufnahmeprüfung sei in der kommenden Woche.
Ich rief sofort dort an, ja ich könne noch kommen und mitmachen hieß es. Das Praktikum fehlte mir allerdings. Ich ging zu Dr. Geyer und fragte ihn ob er mir meine Tätigkeit bei Geyer auch als Praktikum bescheinigen könne und erklärte ihm warum. Zwei Stunden später hatte ich die Bescheinigung. Es waren noch 5 Tage bis zur Aufnahmeprüfung und ich hatte keine Ahnung. Ich nahm Urlaub und kaufte mir ein Buch: Kurt Solf - Filmen. Das lernte ich mehr oder weniger auswendig und trat zur Prüfung an. Über 400 Bewerber gab es für nur 25 Plätze. Allerdings war das Buch anscheinend ziemlich gut gewesen. Ich hatte kaum Probleme mit den Fragen. Die einzige Frage bei der ich auf dem Schlauch stand war folgende: was sind die Aufgaben eines Kameraassistenten ? Ich schaute zum Nachbar. Schärfe ziehen, Blenden ziehen, Kassetten ein und auslegen stand da, aha. Wird wohl so sein dachte ich und schrieb es auf ohne zu Wissen was damit eigentlich gemeint war.
An nächsten Tag erfuhren wir die Ergebnisse. Ich war unter den Besten und war angenommen, eine totale Überraschung.
Ich kündigte bei Geyer, Karla war sehr traurig, sie hätte mich gern als ihren Nachfolger gesehen. Aber keiner war sauer, alle beglückwünschten mich, denn sie wussten, das ich ihnen als Kunde erhalten blieb. Jürgen hatte es auch geschafft, Kai leider nicht aber um den brauchten wir uns keine Sorgen zu machen sein Vater war ein Promi, der würde immer etwas finden.

Montag, 26. Februar 2007

Hurra, ich bin beim Film, Teil 2

Hurra, ich bin beim Film, Teil 2
Das war aber weiß Gott nicht die große weite Welt des Films. Ein Cutterassistent in einer Synchronfirma zu sein ist etwa so exotisch wie ein Stück Fa Seife. Die intellektuellen Anforderungen sind minimal, englisch sollte man zumindest verstehen. Man kümmert sich um den Ton und sitzt den ganzen Tag ( zumindest damals ) an einem Schneidetisch und hört sich irgendwelche Töne an.
Die Firma Deutsche Synchron befand sich auf dem Gelände der Berliner Union Film Studios am Flughafen Tempelhof, das Aufregendste was dort zu dieser Zeit produziert wurde war die ZDF Hitparade. Man sah also zumindest die Schlagerfuzzis in der Kantine und hin und wieder einen Schauspieler, der dort in einem anderen Studio drehte.
Ich landete in einem Schneideraum mit 5 anderen Mädels ( Assistentinnen ). Die waren alle sehr nett zu mir, ich war der Hahn im Korb, nur sobald eine von ihnen den Raum verließ fielen die anderen sofort über sie her. Hast Du ihre Schuhe gesehen, die Frisur und so weiter und so fort, Lästereien ohne Ende. Schrecklich. Ich hoffe Frauen sind nicht immer so wenn sie irgendwo zusammen arbeiten müssen, bei Männern gibts so was glaube ich nicht, hab ich jedenfalls nie erlebt.
Der Chef war ein Tyrann, wollte jemand etwas von ihm, dann wurde ganz ängstlich erstmal im Büro angerufen und gefragt was für eine Laune er habe, zur Not verschob man das Gespräch auch mal um ein paar Wochen, aus Angst es könnte schlecht verlaufen. Die Cutterinnen ( nicht alle ) waren Divas, zickig und machten teils einen auf die große weite Welt des Films und taten sehr geheimnisvoll, wie viel angenehmer waren dann später doch die Filmcutterinnen beim richtigen Film.
Der einzige Glanz waren die Synchronregisseure, die hatten teils Format, doch auch da brodelte die Gerüchteküche der Mädels, sie hatten über jeden was zu erzählen, besonders über Michael Richter den Bruder von Ilja. Legendär war Rainer Brandt, der „ Die Zwei „ synchronisiert hatte und mit seiner ganz eigenen Art die Dialoge neu zu schreiben, der Serie zum Erfolg verholfen hatte, die in anderen Ländern floppte. Nur der arbeitete nicht bei uns
Die Synchronsprecher waren meist unbekanntere Schauspieler, nur an den Stimmen kannte erkannte man sie. War das nicht gerade John Wayne, den man auf dem Gang hörte, nein das war Arnold Marquis, seine Stimme ?
Das übelste war aber der Job selbst. Da ich so billig war ( 130 DM im Monat ) durfte ich vorwiegend benutzte Perfobänder zusammenkleben. Das muß ich glaube ich erklären. Bei der Synchronisierung wurde der Ton auf 17,5 mm breiten, perforierten Magnetbändern aufgenommen. Wenn der deutsche Sprecher dann an das IT Band ( das heißt die internationale Tonspur des Films, das sind nur Musik und Geräusche drauf, ohne die Dialoge ) angelegt wurde, zerschnitt die Cutterin das Band in viele kleine Schnipsel, damit die Dialoge auch an die richtige Stelle kamen, dazwischen klebte sie eine andere Art Band . Nachdem der Film fertig war wurden die Bänder gelöscht und ich durfte die vielen kleinen Schnipsel wieder zu einem Band zusammenkleben. Bei einem Stundenlohn von 81 Pfennig war das natürlich viel billiger als ein neues Band zu kaufen, das sicher 20 Mark kostete wenn nicht sogar noch mehr.
Dann fielen auch noch Überstunden an, die bei 81 Pfennig die Stunde überhaupt keinen Spaß machten, denn ich brauchte die freie Zeit abends um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mit den Überstunden konnte ich nicht mehr nebenbei jobben, also auch nicht überleben. Ich lehnte also die Überstunden ab und flog nach 3 Monaten raus.
Das hat man davon, wenn man sich gegen Ausbeutung und Sklaverei zur Wehr setzt.
Aus und vorbei war es mit der großen Welt des Films, oder vielleicht doch nicht.
Gebe zu der Text ist etwas uninspiriert, dafür kommen wir bald zu „ Wir Kinder vom Bahnhof Zoo „ zu David Bowie und anderen interessanten Leuten.

Samstag, 24. Februar 2007

Hurra, ich bin beim Film, Teil 1

Nun ist es heute nicht so ganz einfach einen Job beim Film zu bekommen, damals wahrscheinlich auch nicht, aber ich hatte Glück.
Steven Spielberg war ein Brieffreund von mir und den fragte ich einfach.
Glaubt ihr nicht ? Nun gut bleib ich bei der Wahrheit.
Ich ging zum Arbeitsamt und sagte ich will zum Film. Keiner lachte. Ich war überrascht. Sie hatten ein Angebot. Eine Ausbildung zum Cutterassistent, 2 Jahre, Anfangsgehalt 130 DM im Monat. Wohlgemerkt nicht im Jahr 1930 sondern 1976, da war das verdammt wenig Kohle. Außerdem war es kein anerkannter Lehrberuf, also wohl Ausbeutung pur.
Egal ich wollte zum Film.
Zwei Tage später sollte mein Vorstellungsgespräch sein. Ich war ganz aufgeregt.
Am selben Abend rief mich meine Mutter an und erzählte mir, Klaus ein Bekannter von mir sei von einer Brücke gesprungen, er sei sofort tot gewesen. Sie wollte wissen ob ich es mal wieder geahnt hätte.
Fehlanzeige ich hatte nichts geahnt. Es hatte schon einen Grund warum sie fragte.
Als ich 17 war wachte ich eines Tages schweißgebadet aus einem fürchterlichen Traum auf. Ich hatte Klaus in seinem Auto auf einem Feld gesehen, die Fenster geschlossen, mit einem Schlauch hatte er Autoabgase ins Auto geleitet . Er war leblos. Ich erzählte den Traum meiner Mutter und ging in die Schule.
Klaus war einer der Ersten, den ich traf. Ich erzählte ihm nichts, denn seine Schwester hatte einige Jahre zuvor Selbstmord begangen. Einen Tag später als ich in die Schule kam sah alles ganz anders aus. Alle waren aufgeregt, denn Klaus hatte am Nachmittag davor einen Selbstmordversuch begangen, genauso wie ich es geträumt hatte - im Auto mit einem Schlauch, Gott sei Dank hatte er überlebt.
Meine Mutter war völlig verstört, das ich anscheinend in die Zukunft sehen konnte. Zwei Monate später blieb mein Freund Hansi neben mir stehen und hupte. Er hatte einen neuen Käfer von seinem Vater bekommen. Ob ich mit zu den Petards wolle, das war eine Rockband die in der Nähe wohnte, die wir oft bei den Proben besuchten. Plötzlich ging es mir ganz schlecht, ich hatte Herzrasen, hörte Polizeisirenen. Ich sagte ab, aber Jürgen ein anderer Freund von uns stieg ein, ich gab ihm noch meine Jacke, da es abends schon recht kühl wurde, ging nach Hause und legte mich erschöpft ins Bett. Es war 18 Uhr, eine völlig ungewohnte Uhrzeit für einen 17 jährigen. Gegen 20:30 wurde ich wach. Ich hörte meine Oma heulen, der Bürgermeister sprach auf sie ein. Viele Leute waren anscheinend da.
Ich schaute aus dem Fenster und es wurde totenstill, dann machte sich Erleichterung breit. Ich hatte keine Ahnung um was es ging und ging runter. Alle redeten auf mich ein und fragten wer denn meine Jacke habe.
Hansi war in einer Kurve die mit Leitplanken gesichert war, frontal gegen einen Lastwagen gefahren. Zwei LKws hatten sich dort verbotenerweise überholt. Er hatte wegen der Leitplanken keine Chance auszuweichen. Beide waren tot, Jürgen, der Beifahrer war nicht zu identifizieren, aber Hansis Eltern hatten meine Jacke erkannt. Der Bürgermeister hatte gerade meine Oma über meinen mutmaßlichen Tod informiert.
Ich dachte nun wirklich, daß ich übersinnliche Fähigkeiten hätte, aber nie wieder konnte ich etwas voraussehen. Nur einmal in Russland bei einer Wahrsagerin, die unserem Fernsehteam aus der Hand las, passierte etwas merkwürdiges.
Als ich an die Reihe kam, schaute sie in meine Handfläche, lächelte mich an und sagte: warum soll ich Dir aus der Hand lesen, Du mußt es doch viel besser wissen als ich. Doch nie wieder ist etwas passiert.
Jahre später lernte ich bei einer Fernsehshow jemanden kennen der wirklich übersinnliche Fähigkeiten hatte. Er hiess James van Praagh und kam aus den USA, doch dazu kommen wir viel viel später.
Ich bereitete mich inzwischen auf mein Vorstellungsgespräch vor, vertane Zeit. Nach 5 Minuten hatte ich den Job und konnte gleich am nächsten Tag anfangen. Die Firma hieß Deutsche Synchron und synchronisierte ausländische Filme.
Übrigens wer sich mal was von mir ansehen will: hier ein Link:http://www.youtube.com/watch?v=_uFsgDN8sKI

Freitag, 23. Februar 2007

Ein Landei in der großen Stadt, Teil 4

Ein Landei in der großen Stadt, Teil 4
Der nächste Zuhälter mit dem ich zu tun bekam war etwa 1,60 groß aber sehr kompakt und kräftig. Dummerweise wohnte er auch in dem Haus. Er hatte eine deutsche Dogge, die fast so groß war wie er und eines Tages lief sie mir vor dem Haus vors Auto. Ich konnte gerade noch bremsen, aber es war wirklich knapp. Obwohl der Hund schuld war bedrohte mich der Idiot und sagte wenn er mich erwische würde er mich erschlagen. Ich hatte tierische Angst denn auf Prügeleien stehe ich überhaupt nicht. Fortan betrat ich das Haus nur wenn die Luft rein war und nahm nur den Fahrstuhl nach oben, nach unten lief ich die zehn Stockwerke. Nach einigen Wochen wurde ich unvorsichtig und nahm auch den Fahrstuhl nach unten. Er stoppte im sechsten, die Tür ging auf und wer trat ein: der Zuhälter. Er bot einen jämmerlichen Anblick. Das Gesicht war völlig blau geschlagen und beide Arme waren in Gips. Innerlich habe ich mich schlapp gelacht. Er grüßte freundlich und war ganz bescheiden.
Eine Woche später klingelte mein Nachbar um halbzwölf sturm. Jimmy war ganz aufgeregt und wollte seine Neuigkeiten loswerden. Er hatte im Treppenhaus einen Revolver gefunden, geladen, eine echte Waffe keine Schreckschußpistole. Damit war er gleich hundert Meter weiter in den Bierhimmel gelaufen, eine Kneipe wo etwa 5000 Jahre Knast verkehrten und hatte sie dort für 300 Mark verkauft.
Am nächsten morgen um 6 wurde Jimmy von der Polizei geweckt. Der Käufer hatte mit der Waffe gleich jemanden umgelegt. Das gab für Jimmy 6 Monate Gefängnis auf Bewährung und 1500 DM Geldstrafe, ein schlechtes Geschäft.
Zwei weitere Wochen später kam ein Einschreiben von einem Anwalt, der wollte die Miete für 6 Monate nochmal kassieren. Des Rätsels Lösung: der Hausmeister bei dem wir cash bezahlten hatte die Mieten unterschlagen, von den Prostituierten hatte er sich in Naturalien bezahlen lassen, deshalb die Nachforderung und da ich eine Quittung verbaselt hatte konnte ich einen Monat doppelt bezahlen.
Ich hatte mir einen schnieken Gebrauchtwagen angesehen und wollte den finanzieren, unerfahren wie ich war fiel ich dann auf den dümmsten Trick rein. Ich sollte eine unverbindliche Anfrage zur Finanzierung unterschreiben. Als ich gerade unterschrieben hatte stieß mich der Verkäufer weg, ein anderer brachte mir die Kopie eines unterschriebenen Kaufvertrages für einen Opel. Der Kaufvertrag hatte drunter gelegen es war nur nicht zu sehen gewesen, da die Gangster sich das Formular hatten drucken lassen und wer schaut denn schon nach ob die Durchschrift identisch ist. Die Anfrage zur Finanzierung warfen sie dann einfach weg, deshalb hatte er mich weggestossen, damit ich das oberste Blatt mit der Anfrage nicht nehmen konnte.
Das waren 2600 DM Vertragsstrafe weil ich den Opel nicht abnahm. Es fiel mir äußerst schwer zu bezahlen. Vierzehn Tage später stand dann eine Warnung vor solchen Methoden in der Zeitung, leider 14 Tage zu spät. Ich hab allerdings keine Ahnung wer dem Verkäufer immer wieder alle vier Reifen platt gestochen hat, das ging über Jahre so ( war auch in der Zeitung ). Der Besitzer des Autohauses ersoff dann irgendwann beim Surfen in der Nordsee. Ich habe nicht geweint als ich dies las.
Mit meinem Fahrerjob war ich nicht wirklich zufrieden, der Chef war nett aber intellektuell war der Job nicht der Bringer. Ich beschloß mein Leben zu ändern und zum Film zu gehen.

Mittwoch, 21. Februar 2007

Ein Landei in der großen Stadt, Teil 3

Ich bezog also stolz wie Bolle meine erste eigene Wohnung, 23 qm möbiliert für 370 Mark bei 1000 netto die ich verdiente. Die Wohnung lag im zehnten Stock. Was mir bislang keiner so richtig erzählt hatte war das die Potsdamerstrasse damals der Berliner Rotlichtbezirk war. Man hatte mir bei der Hausverwaltung erzählt, das die Post eine komplette Etage gemietet hatte und das vorwiegend Westdeutsche im Haus wohnten, die gerade nach Berlin gezogen seien, das war ich ja schließlich auch.
Die Frauen die ich hin und wieder im Fahrstuhl traf sahen schon ziemlich merkwürdig aus, ziemlich aufgedonnert, heute würde ich nuttig sagen, manchmal hatten sie aber auch ein Kreuz wie ein Holzfäller und sprachen auch sehr komisch, mit relativ tiefen Stimmen. Manchmal glaubte ich sogar etwas Bartwuchs erkennen zu können, die sahen dann richtig gefährlich aus.
Das Frauen gefährlich sein können wußte ich seit meiner Kindheit. Als Fünfjährige hatten wir in einem Park ein Kondom entdeckt und rätselten was das sein könne. Fritz kam dazu. Er war schon sechs, also fast erwachsen. Schulmeisterlich klärte er uns auf und erzählte uns das sei ein Gummischutz, den brauche man für den Schniedel wenn man Kinder machen wolle.
Mir war zwar nicht ganz klar wie Kinder machen funktionierte aber es mußte sehr gefährlich sein wenn man einen Schutz dabei brauchte, das lag dann sicher an den Frauen. Spinnenfrauen fressen ja auch ihre Männer auf.
Ich war zutiefst beunruhigt und achtete fortan darauf das beim pinkeln keine Mädchen in der Nähe waren - sicherheitshalber.
Auf meiner Etage lebten Jimmy und Agnes, ein nettes Pärchen mit dem ich mich gleich anfreundete. Die erzählten mir das ganze Haus sei voller Schwuler, Transen, Zuhälter und Nutten. Es seien kaum normale Leute dabei - die beiden hatten recht. Nach 14 Tagen dann der erste Mord im Haus, ein anderer wurde in seinem Apartment eingemauert und mußte durch die Feuerwehr befreit werden. Ein neues Paar zog in unsere Etage. Ab diesem Tag kläffte ein Riesenschäferhund auf dem Balkon, jede Nacht, bis in die frühen Morgenstunden. Manchmal waren 30 Leute im Flur versammelt, aus der ganzen Nachbarschaft, die sich beschweren wollten - aber da war nie jemand zu Hause. wir holten die Polizei, die zuckten nur mit den Achseln und dann kamen sie irgendwann gar nicht mehr, wenn man anrief. Wir versuchten es mit in Wurst eingepackten Schlaftabletten die wir auf den Balkon warfen, es half nichts, der Hund kläffte einfach weiter.
Ich wußte mittlerweile wer dort wohnte, ein blutjunger Zuhälter, der eine Türkin auf den Strich schickte.
Ich fuhr also eines nachts zu dem Puff wo ich sie mal hatte stehen sehen. Da stand sie auch und er war dabei. Ich pflaumte ihn an, er solle seinen Hund mal ruhig stellen und wußte im selben Moment - bad idea. Er war zwar nicht kräftig genug und wagte es erst gar nicht mir eins aufs Maul zu hauen aber ruck-zuck war ich von heftigen, tätowierten, kräftigen, böse dreinschauenden Kerls umringt. Was ich denn wolle machte mich der Kräftigste von ihnen an. Äh - äh das sah gefährlich aus und in diesem Moment dachte ich das ich doch in meinem Dorf hätte bleiben sollen und brav zur Bundeswehr gehen.
Ich fasste all meinen Mut zusammen und trat auf den Typ zu immer damit rechnend eine gedröhnt zu bekommen. Du scheinst hier der Chef zu sein, sagte ich zu ihm. Er nickte und verschränkte die Arme die meine Oberschenkel hätten sein können vor der Brust. Weißt Du ihr arbeitet nachts und wollt tagsüber eure Ruhe haben, ich arbeite tagsüber und will nachts schlafen und dann erzählte ich die Geschichte von dem Hund und das die ganze Gegend nicht schlafen könne.
Er hörte sich alles ruhig an, bot mir eine Zigarette an und als wir dann rauchten sagte er ganz ruhig zu dem Jungzuhälter: Du gehst jetzt nach Hause, holst den Hund und wenn ich noch eine Beschwerde höre gibts was aufs Maul, die Leute wollen schlafen, die müssen morgens arbeiten.
Soviel Klugheit, Konsequenz und Sachverstand würde ich mir manchmal von den Politikern wünschen.
Ein Wunder war geschehen. Ich hatte keine Zähne verloren, war nicht schwer verletzt, kein Haar war gekrümmt und ich konnte fortan in Ruhe schlafen.
Leider wohnten noch mehr Zuhälter im Haus.

Sonntag, 18. Februar 2007

Ein Landei in der großen Stadt, Teil 2

Ein Landei in der großen Stadt, Teil 2
Total fertig kam ich bei Gert an, nachdem ich mich etwa 10 mal verfahren hatte. Berlin Moabit war nun meine neue Heimat. Ich war total begeistert. Berlin hatte ungefähr zehnmal soviel Kneipen und Discos wie meine Heimatstadt Häuser, ich hätte Jahre gebraucht um alle zu besuchen, also konzentrierte ich mich auf wenige.
Gert war eine Seele von Mensch, relativ arbeitsscheu, was damals zu Zeiten üppigen Arbeitslosengeldes kein Problem war. Leider änderte sich sein Charakter unter Alkoholeinfluss sehr heftig, aber das richtete sich nicht gegen mich, sondern vorwiegend gegen Staatsdiener. Er verkehrte gerne im Polkwitz, einer Saufkneipe am Olivaer Platz.
Ich machte mich lieber auf die Suche nach einem Job, hatte erwartet das alle auf mich warten, aber das war leider eine Illusion. Zudem konnte ich ja auch nichts vorweisen, kam ja direkt von der Schule ohne Abitur.
Gleich am nächsten Abend kam Gert gegen Mitternacht nach Hause, sturzbetrunken und zeigte mir ganz stolz einen Strafzettel, den er gerade erhalten hatte: Trunkenheit im Straßenverkehr als Fußgänger - kostete damals 20 Mark. Mir war bis dahin völlig unbekannt, das es ein solches Delikt überhaupt gab.
Gert lebte in Scheidung, seine Ex arbeitete im Grunewald bei einer stinkreichen Familie, deren Firma Elektroherde herstellte. Sie wohnte auch dort. Eines nachts kam er auf die Idee, das der Fernseher den seine Ex mitgenommen hatte, eigentlich ihm gehörte. Also machte er sich hackebreit auf den Weg, suchte seine Ex auf und als die nicht öffnete, trat er die Tür ein, nahm den Fernseher und ging. Diese hatte natürlich sofort die Polizei angerufen als er krakeelent vor der Tür stand und als Gert mit dem Fernseher gerade zur Strasse gehen wollte, wurde er von seinen Freunden den Staatsdienern schon empfangen. Auf die Ermahnung den Fernseher doch zurückzubringen, ließ er ihn vor die Füße der Polizisten fallen. Es sei ja sein Fernseher und er könne damit machen was er wolle. Mit dieser Aktion brachte er es immerhin auf die Titelseite der BZ der Bild Zeitung von Berlin, davon träumen viele, Gert schaffte sowas ohne Probleme.
Gott sei Dank fand ich bald einen Job als Fahrer in einer Lichtpauserei. Dies war der wichtigste Kontakt überhaupt, wie sich später herausstellen sollte, er ebnete mir den Weg ins Filmbusiness.
Volker, der Chef trank auch ganz gern mal einen über den Durst und seine Frau verprasste das Geld was er verdiente. Beide waren aber supernett.
Es ging nun auf Weihnachten zu als ich plötzlich durch lautes Gehämmere an der Tür wach wurde. Ich stand auf und hörte Gert rufen, laß mich schnell rein, ich hab keinen Schlüssel.
Ich machte auf. Gert schloß die Tür sofort wieder ab, er hatte ein schönes blaues Veilchen.
Er ging zum Fenster, da standen inzwischen an die 10 Taxen. Des Rätsels Lösung: Gert war mit dem Taxi gekommen, hatte sich mit dem Fahrer wegen des Fahrpreises gestritten, nicht den vollen Preis bezahlt und dieser hatte ihm sofort aufs Auge geschlagen. Gert war ins Haus geflüchtet und befürchtete nun die Lynchjustiz der Taxifahrer, denn sein Fahrer hatte Verstärkung geholt. Also rief Gert die Polizei an und bat volltrunken um Hilfe. Nach 10 Minuten wummerte es an der Tür: Aufmachen. Gert verstand das völlig falsch und dachte das seien die Taxifahrer. Also nahm er einen Spielzeugdegen der irgendwo herumlag ging zum Briefschlitz, stocherte hindurch und schrie: Haut ab ihr bekommt kein Geld. Aufmachen Polizei, hörte ich nur und dann wummerte es derartig gegen die Tür, das der Putz herunterfiel.
Ich machte auf. Zwei Polizisten stürzten sich sofort auf mich, doch ein Taxifahrer der daneben stand sagte: Nee, der war et nich, der andere und zeigte auf Gert.
Sie nahmen Gert in die Mangel und nahmen ihn mit.
Um 6 Uhr hämmerte es erneut gegen die Tür. Ich machte freiwillig auf, es war die Kripo, die zu nachtschlafender Zeit mich vernehmen wollte.
Ich erzählte ihnen das Gert selbst die Polizei gerufen hatte und zeigte ihnen den Gummidegen. Ich rechnete fest damit das er abends wieder zu Hause sein würde. Weit gefehlt. Mordversuch gegen einen Polizeibeamten lautete die Anklage - die wurde zwar wieder fallen gelassen, aber erst nach 4 Wochen Untersuchungshaft.
Ich beschloß mir eine eigene Wohnung zu suchen und fand auch bald eine, trotz der Wohnungsnot in Berlin: Potsdamerstr. 63 lautete die Adresse. Dort wurde alles noch schlimmer, denn ich hatte eine Wohnung im übelsten Appartmentkomplex von Berlin gefunden, dort wohnte der Abschaum der Menschheit und ich mittendrin.

Freitag, 16. Februar 2007

Ein Landei in der grossen Stadt, Teil 1

Ein Landei in der großen Stadt, Teil 1
Ich hatte keinen Bock auf die Bundeswehr, da blieb also nur die Flucht nach Berlin, aber wie. Da ich mich damals anstatt in die Schule zu gehen, häufig in unserer Bahnhofskneipe aufhielt um Karten zu spielen, waren mir natürlich fast alle Stammgäste bekannt. Plötzlich gab es dort einen Neuen, Gert, und oh Wunder der wohnte in Berlin war aber aus irgendeinem Dorf in der Nähe.
Gert war etwa Ende 20 und bot mir an bei ihm zu wohnen, in Berlin natürlich nicht in seinem Dorf. Ich wußte allerdings nicht das Gert ziemlicher Säufer war und sich auch gerne Mal mit dem Gesetz anlegte. Ich packte also meine Siebensachen und fuhr mit meinem Polski Fiat nach Berlin.
Fast wäre ich auf der ersten Fahrt schon gescheitert denn die damaligen Transitbestimmungen waren mir noch nicht so geläufig. Ich entdeckte auf halbem Weg in der Zone eine hübsche Tramperin, hielt an und nahm sie mit, sie sah aus wie ein Wessi. Wir unterhielten uns prächtig, sie schwärmte von meiner Musik und erzählte mir von allen In-Kneipen und Discos, die sie so besuchte. Gert hatte mir schon einiges über das Nachtleben von Berlin erzählt aber sie erwähnte völlig andere Lokalitäten mit teils merkwürdigen Namen. Ich versuchte mir alles zu merken. Kurz vor Michendorf erwähnte ich beiläufig, das ja jetzt bald der Abzweig nach Westberlin kommen müsse, den wir nicht verpassen sollten und da wurde sie plötzlich etwas blass. Sie sei aus Ostberlin erzählte sie und würde zwar gerne mitkommen, dürfe aber nicht und ob ich nicht wisse, das man als Wessi im Transit keine Ossis mitnehmen dürfe.
Nee, wußte ich nicht. Und dann erzählte sie das der Rasthof Michendorf voller Stasileute sei, da könne sie nicht aussteigen. Sie bat mich an der Potsdamer Abfahrt gleich nach Michendorf zu halten und sie dort rauszulassen.
Ich fuhr ein paar Meter die Abfahrt runter, hielt und wir luden ihr Gepäck aus. In diesem Moment hielt ein Vopo Lada oben an der Ausfahrt. Sie ging ganz eilig davon und ich fuhr wieder auf die Autobahn an den Vopos vorbei, die mir sofort folgten.
Ich achtete jetzt pedantisch auf die Geschwindigkeit, denn die Vopos fuhren direkt hinter mir, bogen mit mir Richtung Westberlin ab . Ich hatte tierische Angst wollte nicht im Gulag in Sibirien landen und dachte mir permanent irgendwelche Ausreden aus.
Kurz vor der Abfahrt Potsdam Babelsberg setzten sie zum Überholen an. Scheisse, dachte ich, so kurz vor dem Ziel. Nun drohte mir statt Bundeswehr ein sicherlich unangenehmer DDR Knast. Als sie parallel neben mir fuhren, öffnete der Beifahrer das Fenster, drohte mir mit dem Finger, worauf ich ihm sofort den Stinkefinger zeigte, darauf rammten sie mich, brachten mich nach Sibirien wo ich bei 40 Grad minus geteert und gefedert wurde und dann nackig durch die Tundra getragen wurde.
Natürlich war ich nicht so blöd, sondern hob entschuldigend meine Schultern, sie fuhren an mir vorbei und bogen nach Babelsberg ab.
Schweißgebadet kam ich in Westberlin an, das Bild von mir ( geteert, gefedert, minus 40 Grad, am Arsch der Welt ) noch vor Augen.
Ich konnte damals nicht wissen das ich viel später die Abfahrt Babelsberg fast jeden Tag benutzen würde.