Freitag, 9. März 2007

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo - Teil 2

Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Zuerst einmal zog ich zu Hans, dem Kamera-Assistenten, der hatte eine Riesenwohnung in der Pallasstrasse am Winterfeldtplatz - endlich wieder eine Dusche. Es ging auch gar nicht anders, meine alte Wohnung lag in Schutt und Asche.
Nach meiner Rückkehr stellte ich fest das alle meine Wände nass waren. Der Mieter über mir ließ seit Tagen das Wasser überlaufen. Die Hausverwaltung reagierte nicht auf meine Klagen. Irgendwann als ich gerade die Toilette verlassen hatte machte es rumms und der gesamte Putz fiel von den Wänden und die Decke kam runter, nun war meine Bude endgültig unbewohnbar.
Es gab noch ein anderes Problem.
Mein Nachbar auf demselben Stock, ein Suffkopf, den ich bisher immer nur morgens auf dem Weg zur Uni gesehen hatte, mit einem Handwagen voller Bier und Korn auf dem Weg in seine Wohnung, hatte mich mal auf ein Bier eingeladen. Anstandshalber war ich rübergegangen. Die Bude war voller Trinker, voller menschlicher Ruinen, die sich im Akkord betranken, auch Frauen waren dabei. Nach einer Stunde sagte mein Nachbar, so jetzt rutschen wir über die Mädels und dann gehen wir zum Bahnhof Zoo einen trinken, alle lachten und begannen sich auszuziehen. Igittigitt, ich machte mich sofort vom Acker. Fortan hatte ich Probleme wenn mein Nachbar außer Haus soff. Dann bollerte es nachts um drei an meine Tür, einer seiner sturzbetrunkenen Freunde stand dann meist da und lallte: Ey Kumpel, kann ich bei Dir mal ein Bier trinken. Erst wollte ich mir für diese Gelegenheiten einen Baseballschläger besorgen. Der Umzug zu Hans war aber die bessere Lösung.
Die Vorbereitungen für den Dreh waren in vollen Gange. Ich hatte einen Höllenrespekt vor all den Profis, hatte ja keine Ahnung, das viele auch am erst am Anfang ihrer Karriere standen.
Mit Nadja gab es ein Problem, sie hatte noch keinen Busen. Colin Arthur unser Maskenbildner ein absoluter Profi und superkomischer Engländer modellierte ihr einen Gummibusen, den sie beim Drehen immer anschnallen mußte. Er wollte immer bei Babette der Regieassistentin Maß nehmen, aber die zierte sich, so mußte er sich auf seine Eingebung verlassen. Er konstruierte auch die Spritzen, die wir verwendeten, sodaß es echt aussah ohne im Film schneiden zu müssen ( Flüssigkeit rein, Blut raus ). Die Dreharbeiten verliefen sehr harmonisch.
Myrella die Kostümbilderin brachte ab und zu mal ihren Freund mit zum drehen, der half mir hin und wieder die Kamerakoffer zu schleppen, wenn er sich langweilte - ein sehr netter Amerikaner. Als ich dann Tage später erfuhr wer das überhaupt war, konnte ich es gar nicht fassen. Es war Edwin Moses, der Goldmedaillengewinner über 400m Hürden und mehrmalige Weltmeister. Ein sehr bescheidener, freundlicher Mann. Die zwei heirateten dann 1982 und Myrella zog nach L.A.. Später wurde dann Edwin irgendwann von der Polizei mit einer Prostituierten erwischt und sie ließen sich 1991 wieder scheiden.
Die Dreharbeiten zogen sich in die Länge, wochenlang drehten wir in einer Wohnung die wir als Fixerwohnung herrichteten, das heißt die sah dann aus wie die Küche bei Hans und mir, unsere Abteilung verdorbene Lebensmittel.
Jedes Teammitglied brachte seinen Hausmüll mit und den kippten wir dann in die Wohnung, Sagrotan drüber und fertig. Das sah sehr authentisch aus, war aber ziemlich eklig.
Jürgen Jürges der Kameramann war ein Meister seines Fachs und Hans war ein Spitzenassistent, ich konnte viel von ihnen lernen.
Unseren Regisseur Uli Edel fand ich ebenfalls gut, aber Uli war ein lausiger Autofahrer, er fuhr immer ziemlich ziel und planlos. Er hatte einen alten Volvo. Vor unserem Motiv wurde gerade der Gehweg repariert, das störte natürlich bei den Dreharbeiten. Eines Tages als gerade keine Bauarbeiter da waren nahmen Udo Gaidosch der Requisiteur und ich die Platten und wollten sie verschwinden lassen. Mangels Versteckmöglichkeiten, packten wir sie in den Kofferraum des nächstbesten Autos. Es war Ullis Volvo. Damit sie dort nicht all zu sehr polterten, fütterten wir den Kofferraum mit vollen Müllsäcken aus unserem Bestand auf.
Der Volvo lag nun ziemlich tief, waren schon ein paar Zentner Platten im Kofferraum. In den folgenden Tagen beschwerte sich Uli über den hohen Benzinverbrauch seines Volvos und das er schlecht beschleunige. Eines Tages kam er mit dem Taxi zum Drehort, er hatte den Wagen in die Werkstatt gebracht, weil es streng roch und er zu viel Benzin verbrauchte. Am nächsten Morgen kam er wieder mit seinem Volvo an. Wie es der Zufall so will standen ausgerechnet Udo und ich zusammen draussen, da ich Kassetten einlegen mußte. Uli lachte und erzählte uns irgendein Scherzkeks habe seinen Wagen voller Gehwegplatten geladen, ob wir das mal schnell ausräumen könnten. Das taten wir dann auch, der Inhalt der Müllsäcke war aber schon in einem hochgradigen Stadium der Verwesung, ziemlich eklig ( Ja Uli, jetzt weißt Du es, wir waren es, hatten es aber im Prinzip gut gemeint )
Unser Produzent Bernd Eichinger ließ sich relativ selten am Drehort sehen, er war auch im Gegensatz zu allen anderen etwas unnahbar, aber nicht unangenehm.
Unsere nächsten Motive waren die Klos unter den S-Bahnbrücken der Kleiststrasse, also direkt im Fixerkiez. Die wurden gesäubert und dann mit Schokolade verschmiert, damit sie schmutzig aussahen. Zweimal konnten wir nicht drehen, da irgendein Fixer sich dort den goldenen Schuß gesetzt hatte und die Leiche erst abtransportiert werden mußte. War schon ein komisches Gefühl dann dort zu drehen. Mehrmals kamen dann auch Fixer, bedrohten uns und forderten Zutritt zur Toilette. Die hatten dann dort irgendwo ihren Stoff versteckt. Wenn sie wieder rauskamen waren sie viel entspannter und auf dem Klo lag dann die blutige Spritze.
Einmal drehten wir am Lehniner Platz mit künstlichem Regen, das funktionierte aber nicht so gut, der Regenmacher war ein Stümper. Es war ein subjektiver Schuß aus einem Auto heraus. Nadja mußte im strömenden ( künstlichen ) Regen agieren.
Ich saß mit Jürgen dem Kameramann und dem Tonmeister mit der Kamera im Auto, Hans führte eine weite Kamera. Der Ton ist bei solchen Szenen nicht zu verwenden, aber der Tonmann wollte sicherheitshalber trotzdem den Ton aufnehmen. Jürgen dachte der Ton würde eh im Müll landen und fluchte vor sich hin: Da regnets, da regnets nicht, diese Dilettanten, das klappt doch so nie, guck mal da kommt ein voller Strahl runter. Er konnte sich gar nicht beruhigen.
Am nächsten Tag bei der Mustervorführung ( bei der Mustervorführung schaute man sich das Material an, das am vorigen Tag gedreht wurde, um es zu kontrollieren, wir drehten ja auf 35 mm Film und nicht auf Video ) wurde Jürgen immer kleiner in seinem Kinositz, als er sein Gefluche hörte. Der Schneideraum hatte den Ton mit seinen Flüchen aus Versehen an den Film angelegt. Jürgen drehte sich zu Lothar dem Tonmeister um und sagte nur: das war ja nun wirklich nicht nötig.
Unser nächstes Motiv sollte die berühmt berüchtigte Original Discothek Sound in der Genthiner Strasse sein.




Das Sound war ein versiffter Laden, Treffpunkt der Drogenabhängigen. Dort hatte sich ein Teil der Originalgeschichte der Christiane F. abgespielt. Ich kannte den Laden schon vorher, war nicht so mein Ding, zu viele Menschen für die das Leben schon fertig war bevor es überhaupt begonnen hatte.
Die echte Christiane F. spielte als Statist in einigen Szenen mit. Sie war für mich eine Enttäuschung. Eine unscheinbare, junge Frau ohne Charisma. Erst dann wurde mir klar, das ihr Schicksal nur eines von vielen, nahezu identischen Schicksalen war. Sie hatte nur das Glück gehabt jemanden zu treffen, der sich für ihr kaputtes Leben interessierte und es aufschrieb. Es gab sicher noch viel extremere Schicksale in dieser Szene.
Nun kommt die zweite Enttäuschung aber im Prinzip auch eine positive Erfahrung. Ich bemerkte oft jemanden der im Hintergrund rumstand und die Dreharbeiten beobachtete. Er war etwa 1,70 groß, Mitte 30 und keineswegs auffällig oder extravagant. Irgendwann ging ich durch Zufall dichter an ihm vorbei. Er war keineswegs sofort zu erkennen, aber er war es: David Bowie, dessen Musik, den ganzen Film prägt. Er wohnte damals in Berlin. Er hielt sich unauffällig im Hintergrund auf, mischte sich nicht ein, keine Allüren, kein Stargetue. Ein ganz normaler Mann. Enttäuschend auf den ersten Blick, angenehm aber sein Verhalten und sein ganzes bescheidenes Auftreten.
Sein Konzertausschnitt aus dem Film ist allerdings eine Mogelpackung. Das Konzert selbst wurde in New York gefilmt, nur Nadja war dort und natürlich Uli Edel, der Regisseur selbst. Alle Szenen vor der Bühne wurden in der Berliner Deutschlandhalle gedreht, in den Umbaupausen eines Konzerts von Whitesnake und ACDC. Das Publikum selbst wurde bei dem ACDC Auftritt gedreht. Film ist halt Illusion, damit muß man leben. Bei den Strichszenen vor dem Sound kam auch mein damaliges Auto zum Einsatz ein braunmetalliger Fiat 124 Coupe. Eine Szene werde ich nie vergessen. Unser damaliger Produktionsleiter Harald Muchametow spielte auch kurz mit. Er spielte einen Spaziergänger der von Nadja angeschnorrt wurde. Er gab ihr nichts, daraufhin sagte sie Alter Wichser zu ihm und er haute ihr eine runter. Fortan mußte ich immer an diese Szene denken wenn ich Harald traf.
Eines Nachts drehten wir auf dem Dach des Europacenters. Ein paar Tage vorher war gerade Hochhaus in Flammen in den Kinos angelaufen. So gegen fünf Uhr früh fuhren plötzlich einige Löschzüge der Feuerwehr vor. Per Walkie Talkie kam die Anweisung, keiner verlässt das Dach, keine Fahrstühle benutzen.
Wir schauten mit mulmigen Gefühlen die 20 Stockwerke nach unten. Gott sei Dank hatte nur ein Papierkorb in einem der Büros Feuer gefangen. Wir atmeten auf als die Entwarnung kam.
Die nächsten Tage gab es alllerdings schlechte Nachrichten.

Montag, 5. März 2007

Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo

Es war schon etwas abartig in Teenie Discos zu verkehren und kleine Mädchen und kleine Jungs zu beobachten. Da gab es schon einige Sprüche zu hören wie Spanner, Kinderf... usw. Das schlimme war nur das dort tatsächlich viele ältere Männer verkehrten, um kleine Mädchen abzuschleppen.
Wir kamen mit dem Casting gut voran und irgendwann brachte Babette, die Regieassistentin Kathrin mit. Sie war 13 und wirklich begabt und wir waren uns alle einig, das sie die Hauptrolle bekommen sollte, sie war einfach mit Abstand die Beste.
Bei den Jungs waren wir weniger erfolgreich. Den Typen, der für die Hauptrolle auserkoren wurde fand ich persönlich zu blass, zu unbegabt, aber ich war ja nur ein kleines Licht und hatte keine Entscheidung zu treffen, obwohl natürlich jeder ohne Probleme seine Meinung sagen konnte.
Ab sofort machten Hans und Jürgen die Probeaufnahmen mit dem Paar nur noch auf Film nicht auf Video und Kathrin spielte ihren Partner immer an die Wand. Es gab noch ein anderes Problem, egal wie Kathrin geschminkt wurde, sie war einfach zu hübsch. Sie sah immer zu gesund aus und nie wie eine Fixerin. Als ich eines Tages ins Produktionsbüro kam erfuhr ich das Kathrin doch nicht die Hauptrolle bekommen sollte.
Nachdem sie einige Tage lang wie die zukünftige Hauptdarstellerin behandelt worden war, hatte man ihr einfach so gesagt, das sie die Rolle nicht bekäme. Die Entscheidung war richtig aber die Art wie man es ihr gesagt hatte war nicht OK gegenüber einem dreizehnjährigen Mädchen. Kathrin irrte enttäuscht und heulend durch die Stadt, aber Hans der Kamera-Assistent war sofort losgefahren und suchte sie. Er fand sie und kümmerte sich in den nächsten Tagen um sie. Die beiden heirateten einige Jahre später.
Eine neue Hauptdarstellerin wurde schnell gefunden. Sie hieß Nadja Brunckhorst, war ebenfalls sehr begabt und damit war das Casting beendet.
Mittlerweile gab es eine neue Erfindung im filmtechnischen Bereich, Steadycam hieß sie. Der Kameramann trug dabei eine Art Korsett, ohne Strapse selbstverständlich, auf einem Gelenkarm der aus dem Korsett ragte wurde die Kamera installiert, kardanisch aufgehängt. Nun konnte der Kameramann damit Personen folgen ohne das es sehr wackelte. Das Kamerabild wurde auf einen kleinen Monitor ausgespiegelt, sodaß er sehen konnte was gerade im Bild war. Wir waren glaube ich die ersten in Deutschland die dann diese Erfindung in einem Film verwendeten.
Jürgen ließ sich die Steadycam sofort kommen.
Einige Wochen später sollten die Dreharbeiten beginnen, aber es war nicht ganz klar ob ich dabei sein würde.
Ich nahm sicherheitshalber erstmal einen Job in München beim ZDF an. Die Kameramänner waren sehr nett, bis auf einen der hieß Hammerstingl, er lehnte ab mit einem Assistenten aus Preussen zu arbeiten. Als ich mal den Dienstwagen mit dem Heck zur Wand eingeparkt hatte, fand ich sofort einen Zettel in meinem Fach auf dem stand: wenn 9 Wagen mit der Front zur Wand einparken, dann sollte das der zehnte auch tun. Er war ein Pedant und ein Urbayer. Der Job war nicht uninteressant, besonders ein Dreh bei Franz Josef Strauss zu Hause. So sehr man ihn politisch hassen konnte, privat war er ein Supertyp. Nachdem wir fertig gedreht hatten und die Kamera verpackt war, zog er vom Leder, lästerte über Helmut Kohl und den Rest der Welt, ein brillianter Kopf und perfekter, humorvoller Gastgeber, er füllte uns derartig ab, blieb selbst aber zu unserer Verblüffung völlig nüchtern.
Mit einem Aufnahmeantrag der CSU in der Hand und einigen Aufklebern mit einem Porträt von Franz Josef kehrte ich sturzbetrunken in mein Hotel zurück.
In München hatte ich allerhand Probleme mit dem Dresscode, mit meiner Lederjacke kam ich fast in keine Disco. Nur einmal hatte ich Zuritt zu einer Nobeldisco, denn Uli Edel unser Regisseur, der in München wohnte, hatte mich eingeladen. Zusammen mit Bernd Eichinger, dem Produzenten des Films, dem Platzhirsch der Medienbranche von München hatte ich natürlich keine Mühe reinzukommen. Das war aber überhaupt nicht meine Preisklasse.
Sonst ging ging ich ab und zu in eine Studentendisco in der Nähe des olympischen Dorfes. Eines Abend saß ich da so bei einer Cola ( ja Cola, ich saufe erst seit kurzem ), da kam eine tierisch hässliche Frau herein. Sie konnte ja nichts dafür und vielleicht war sie auch nicht so hässlich, nur ich fand sie unattraktiv. Jedenfalls steuerte sie direkt meinen Tisch an und baggerte mich sofort an. Das war für mich ein Zeichen, München war nicht meine Stadt. Im Hotel fand ich einen Zettel in meinem Fach: Bitte zurückrufen, Solaris Film. Aufgeregt rief ich am nächsten Morgen an. Ich hatte den Job, ich war Materialassistent bei „ Wir Kinder vom Bahnhof Zoo „ und die Bezahlung war auch nicht schlecht. In der kommenden Woche sollte es losgehen, ich verließ München zwei Tage später.

Sonntag, 4. März 2007

Der erste Film

Es war ein easy Job, ein bißchen tanzen, dann wieder rumstehen und warten. Christina Plate war süße 13 und spielte eine der Hauptrollen. Renate Witte, die Aufnahmeleiterin war supernett und kümmerte sich um uns. Ich hatte Zeit mich umzusehen. Mir fiel auf, als die Crew wieder mal in eine bestimmte Lichtrichtung drehte, das einige Lampen, die vorher eingeschaltet gewesen waren, nicht brannten. Ich ging zu einem der Beleuchter, Helmut Grass hieß er und wies ihn darauf hin, er schaute mich ganz verdutzt an, ging zum Kameramann. Ich sah wie er dort auf mich zeigte, dann schalteten sie die Lampen ein. Zwei Stunden später das Gleiche, sie hatten eine Lampe vergessen. Ich ging erneut zu Helmut, der bedankte sich ging wieder zu Bernd Heinl, dem Kameramann und sie schalteten die Lampe ein. In der nächsten Pause sprach mit Helmut ( er übersetzt mittlerweile englischsprachige Bestseller grandios in Deutsche ) mit seiner tiefen Bassstimme an. Woher ich denn gewußt habe, das die Lampen wichtig seien, wollte er wissen. Ich erzählte ihm meine Geschichte. Aha, sagte er nur ging zu Bernd Heinl und erzählte es ihm gleich weiter. Nach Drehende kam Renate zu mir, bedankte sich und erzählte mir das der Kameramann mich sehr gelobt habe. Ich freute mich sehr und dann fragte sie mich, ob ich am Wochenende Zeit habe. Wenn ich wolle, könne ich auf Kinder aufpassen. Auf Kinder aufpassen war nun nicht gerade mein Ding, aber es ging um was ganz anderes.
Sie hatte ein Drehbuch für mich von einem Film und Sonntag würden sich die ersten Teenies vorstellen, die für einige der Rollen vorgesehen waren. Ich solle das Buch lesen und ihnen dann was vom Film erzählen, während sie warteten. Na das war schon was anderes, ich sagte sofort zu. Am nächsten Tag sollte ich schon die Produktionsfirma besuchen.
Damit hatte mir Renate die Zukunft gesichert und ich werde ihr dafür immer dankbar sein, ihr hab ich alles zu verdanken, was danach passierte.
Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, stand auf dem Drehbuch. Der Titel sagte mir gar nichts.
Ich machte mich zur verabredeten Zeit auf den Weg in die Potsdamerstrasse 96, dort war das Büro der Produktionsfirma Solaris. Sabine, die ich dort treffen sollte war aber nicht da, nur ein dunkelhaariger Wuschelkopf, der hieß Ulli und war tierisch nett. Er fragte mich aus, erzählte mir von der Produktion und wir unterhielten uns etwa eine Stunde. Ich war sehr angenehm überrascht, keine Arroganz einem Anfänger wie mir gegenüber, er behandelte mich wie einen Kollegen. Dann kam Sabine nahm mich mit in ihr Büro. „ Das war übrigens Uli Edel, unser Regisseur, mit dem Du geredet hast“, erzählte sie mir beiläufig. Whow, ich war platt, ich hatte über eine Stunde mit einem leibhaftigen Regisseur geredet. Ich hatte den Job. Sonntag fing das Casting an und das Kamerateam tauchte auf: Jürgen Jürges war der Kameramann, Hans Günther Bücking, der Assistent, beide auch supernett. Ich machte meinen Job anscheinend gut, den ich wurde für das nächste Wochenende wieder verpflichtet und bekam jede Menge Visitenkarten der Produktion. Ich sollte ein wenig in Discotheken nach geeigneten Laiendarstellern Ausschau halten. Das war nun wirklich ein Vertrauensbeweis von Uli Edel. Montag schon erhielt ich wieder einen Anruf, ich solle Dienstag mit dem Kameramann die Motive ansehen. Ich fuhr also mit Jürgen Jürges, einem Fassbinder Kameramann durch die Stadt, Motive anschauen, sehr spannend. Als wir zu den ersten Innenmotiven kamen, einer U-Bahn Station, stellte Jürgen fest, daß er seinen Belichtungsmesser ( Spotmeter ) vergessen hatte. Ich gab ihm meinen, den ich im Auto hatte. Nun wurde Jürgen neugierig. Warum hast Du einen Spotmeter, fragte er ? Wieder erzählte ich meine Geschichte und das ich nun arbeitsloser Kamera- Assistent sei. Aha, das werden wir schon ändern, sagte er. Fortan hatte ich die ganze Woche als Fahrer zu tun Am Wochenende waren wieder Probeaufnahmen, die Hans der Assistent machte. Beide mochten allerdings die kleine Videokamera nicht, die wir dafür benutzten, also durfte ich die Woche darauf die Probeaufnahmen alleine machen.
Ich konnte mein Glück gar nicht fassen.

Hurra ich bin beim Film Teil 3

Hurra, ich bin beim Film, Teil 3
Ich war nun plötzlich Student, aber der großen weiten Welt des Films noch keinen Millimeter näher gekommen.
Meine Mitstudenten waren ein bunt zusammengewürfelte Schar, die allerdings größtenteils schon Fernseherfahrung hatten. Die meisten waren aus Deutschland, ein Student war aus Pakistan, einer aus Bangladesch und einer aus Jordanien. Einer von ihnen Achim Poulheim ist jetzt ein berühmter Kameramann, einer wurde Programmdirektor, die anderen sind bei irgendeinem Sender untergekommen, nur aus mir ist anscheinend nichts Vernünftiges geworden.
Die Dozenten waren zwar zweite Wahl aber kompetent und ganz OK, bis auf einen, der war ein superreaktionäres Arschloch und wollte mich Absägen, was ihm aber nicht gelang.
Ich hatte ganz andere Probleme. Mir fehlte jetzt das Geld von Geyer, mit dem Bafög kam ich nicht weit. Also zog ich in den Wedding. Hinterhof, Erdgeschoß sehr dunkel ohne Dusche aber dafür mit Heizung, kostete etwa 150 DM warm. Praktischerweise ( das Rechtschreibprogramm macht mich fertig, was ist jetzt schon wieder falsch und warum vor allen Dingen, ich lass es jetzt so stehen - scheiß Rechtschreibreform ) wohnte Holger ein Mitstudent in der gleichen Strasse, dort konnte ich duschen. Was tut man nicht alles um sein Auto finanzieren zu können, einen Fiat 124 Spider, ein Superauto.
Ich konnte allerdings jobben und zwar in der Lichtpauserei in der ich mal angefangen hatte, als ich nach Berlin kam, das war schon mal stark zumal der Chef ein Supermotto hatte: Pausen müssen sein. Er meinte allerdings seine Lichtpausen damit, keine Arbeitspausen.
Dann baggerte ich die Verkäuferin von GOVI an, meinem Lieblingsplattenladen. Die mochte mich anscheinend auch und stellte mich ihrem Freund Lutz vor dem Geschäftsführer. Schon hatte ich meinen zweiten Job und sogar in einem Plattenladen. Lutz war ein super Typ, ich mochte ihn sehr und hörte sofort damit auf seine Freundin anzubaggern. Der Job war gut, die Bezahlung auch. Leider blieb von dem Geld nie was übrig, da ich es sofort in Lps umsetzte die ich mit Personalrabatt bekam, teilweise kosteten die Lps dann nur noch ein paar Mark.
Dann mußte ich auch noch meinen Lebensrhythmus ändern, von acht bis halb drei Uni, die hieß übrigens SFOF, staatliche Fachschule für Optik und Phototechnik. Ab 3 dann jobben bis 6, dann ins Bett, schlafen bis 23 Uhr und dann ins Superfly einer angesagten Disco am Adenauerplatz oder ins Highfly oder Flyhigh ( zwei Kneipen nebeneinander ), dann gab es noch das Tolstefanz, das Linientreu, den Dschungel und das Sound. Im Sound verkehrten wir nicht, da waren nur Fixer. Berlin war ein heisses Pflaster damals, die Musik zu dieser Zeit war geil und es war die Hölle los. War im Superfly mal nichts los, gingen wir über die Strasse, da war ein Kino und dort hatten wir freien Eintritt als Filmstudenten. Die hatten Vorführungen die ganze Nacht über, um 12 ( null ), um zwei und um vier. Dann fuhr ich meistens gegen vier Uhr früh nach Hause und schlief noch ein paar Stunden. Dieser Lebensrhythmus hatte allerdings auch ein paar Nachteile.
Ich wurde wach, es war noch dunkel draußen, es war im Dezember. Ein Blick auf die Uhr, Mist, fünf vor acht. Schnell in die Klamotten, zum Bäcker, Pech, der hatte zu, wieso eigentlich ? Nun gut dann ohne Frühstück zur Uni. Um 10 nach 8 parkte ich mit quietschenden Reifen. Kein Mensch da, war aber doch Dienstag, da gings um acht los. Hatte ich einen Feiertag übersehen ? Ich fragte einen gütigen Mitmenschen auf der Strasse, ob heute Dienstag ein Feiertag sei. Der schaute mich mitleidig an. Es war Montag und zwar mittlerweile 20:20. Ich war Montag gegen 16 Uhr eingeschlafen und als ich wach wurde war es nicht Dienstag morgen, sondern noch Montag Abend. Ich hatte halt nicht gerafft, das ich nur ein paar Stunden geschlafen hatte und nicht die ganze Nacht.
Jedenfalls hatte ich während meines Studiums weniger Fehltage im Superfly als in der Uni. Aber auch das Studium lief gut. Ich hatte die Idee zu einem Film, die Umsetzung einer Kurzgeschichte von Hanns Heinz Ewers: Die Spinne. Drei Kollegen machten mit und wir begannen mit den Dreharbeiten. Der Hauptdarsteller wurde Dietrich ein Freund von mir aus meiner Heimatstadt, der auch in Berlin lebte und Nilgün eine bildhübsche Türkin, die ich im Superfly kennen gelernt hatte. Eigentlich sollten wir nur ganz kurze Projekte machen, so 1,5 Minuten. Dieses Projekt war allerdings etwas ambitionierter und sollte 10 Minuten dauern. Das mussten wir selber bezahlen, aber Dank meiner Kontakte zu Geyer hielten sich unsere Kosten in Grenzen.
Mittlerweile hatte ich Sonja kennen gelernt, die Tochter eines österreichischen Kabarettisten. Die machte mir schöne Augen und fragte mich, ob ich sie denn mal nach Wien fahren könne. Das machte ich natürlich sofort. Seltsamerweise wohnten wir nicht bei ihr zu Hause, sondern in einem Hotel. Am nächsten Morgen fummelte sie am Absatz ihrer Stiefel herum, entfernte die Sohle. Er war voller Heroin. Sie hatte mich benutzt um ihre Scheißdrogen zu schmuggeln, die sie in Wien verkaufen wollte. Ich stellte sie zur Rede, denn wären wir erwischt worden, hätte ich als Ausländer, obwohl ich gar nichts davon wußte den schwarzen Peter gehabt, sie als Promitochter natürlich nicht. Sie reagierte gar nicht und setzte sich erstmal einen Schuß. Ich setze mich auch, aber ins Auto und fuhr sofort nach Berlin zurück. An der bayrischen Grenze wurde ich gestoppt, Passkontrolle aussteigen, bitte rechts ranfahren. Ich gab ihnen meinen Pass und sie verschwanden damit. 30 Minuten gingen rum, eine Stunde. Ich ging ins Kontrollhäuschen wollte meinen Pass wiederhaben. Da sassen 3 Grenzer mit verschränkten Armen von denen einer sagte: komm doch und hol ihn Dir, dann gibts aber was aufs Maul. Diese Arschlöcher. Ich ging hinaus, wartete auf das nächste Auto mit Freaks, bat sie ob sie mir helfen könnten. Wir gingen dann zu fünft hinein. Mit 4 Zeugen bekam ich natürlich meinen Pass sofort zurück.
Mit Drogen hatte ich nicht viel am Hut, ab und zu mal ein Tütchen, das war es auch. Als Jugendlicher hatte ich auch mal LSD probiert, so etwa ein Jahr lang. Wir hatten einen Dealer in Heidelberg, der war sehr preiswert, ein Trip für 2,22 DM, ein Gramm Shit für 3,33 DM. Wir machten in unserem Gymnasium immer Sammelbestellungen, um diese Preise zu bekommen, wie beim Otto Versand und holten das Zeug persönlich ab. Keiner von uns hat je eine müde Mark damit verdienen wollen. Einmal schickte Pieper unser Dealer mir die LSD Trips per Post, die ganze Sammelbestellung des Gymnasiums ( kein Wunder bei einem Preis von 2,22 ), 100 LSD Trips in einem ganz normalen Briefumschlag. Meine Mutter schüttelte den Brief, der laut raschelte, gab ihn mir und fragte was da drin sei.
Ich ging schnell in mein Zimmer, dort fand ich eine Perlenkette von einer Brieffreundin von mir. Die Perlen hatten eine ähnliche Grösse. Ich ging raus und zeigte sie meiner Mutter, und sagte guck mal meine Brieffreundin hat mir eine Kette geschickt. Meine Mutter war es zufrieden. Am folgenden Freitag war unser Schulfest. Die halbe Oberstufe nahm eine Pille und da nichts passierte nach einer halben Stunde eine Zweite - das war ein schwerer Fehler, denn kurz danach begann die erste Pille zu wirken und dann die Zweite. Gegen 22 Uhr war dann das Schulfest mehr oder weniger zu Ende, denn alle Pillenschlucker hatten sich in die umliegenden Wälder abgesetzt oder irrten die ganze Nacht planlos durch unsere malerische Altstadt. 30 Jahre später besuchte ich einen Freund in Mannheim, der erzählte mir von dem Besitzer eines Buchverlages, der einmal im Jahr eine Riesenfete in einem Odenwalddorf feiere. Es stellte sich heraus das dieser Verlagsbesitzer und unser damaliger Dealer ein und dieselbe Person waren. Er war ein feiner Kerl, gute Preise und er verkaufte keine harten Drogen. Harte Drogen zu nehmen war bei uns sowieso nicht in, wer es damit versuchen wollte wurde isoliert und aus unserer Gruppe ausgeschlossen. Deshalb gab es bei uns lange Jahre keine Fixer in der Stadt.
Doch zurück zur Uni. Unser Film, die Spinne, wurde ziemlich gut und so beschlossen wir ihn bei der Filmbewertung Wiesbaden einzureichen - auf unsere Kosten. Wir hörten dann nie wieder davon. Als ich dort ein Jahr später anrief und fragte was denn nun mit der Bewertung sei, war man dort sehr verblüfft. Haben Sie den Bescheid nicht bekommen wurde ich gefragt, wir haben ihn direkt an die Schule geschickt. Ich stellte den Chef des Studienganges zur Rede. Unwirsch gab er mir den Bescheid. Wir hatten das Prädikat „ wertvoll „ erhalten. Es war der erste Film dieser Schule der je dieses Prädikat erhalten hatte und Herr Eichhoff der Studiengangleiter hatte es für sich behalten. Er sagte, ohne auch nur eine Spur schlechten Gewissens zu zeigen: „ falls es publik wird das auf unserer Kameraschule Filme gemacht werden, die ein Prädikat erhalten, dann bewerben sich auch die ganzen Filmemacher und dann haben wir statt 400 Bewerber 800 jedes Jahr und darauf hab ich keine Lust. Basta. „ Er hätte ja auch ein wenig stolz auf uns sein können.
Das einzige Problem war Kremer, er gab Sozialkunde, war aber superrechts eingestellt. Als er erfuhr das ich für mein Referat über die Weimarer Republik als Quelle das Buch von Bernt Engelmann: Einig gegen Recht und Freiheit, verwenden wollte flippte er aus. Eine Woche vor dem Termin für meinen einstündigen Vortrag auf den ich mich gut vorbereitet hatte, sagte er mir er wolle nun kein Referat mehr sondern ein Kurzexposé, maximal 10 Zeilen. Das hätte ich nun leicht aus einem Lexikon abschreiben können. Meine ganze Arbeit war also umsonst gewesen. Deshalb hielt ich den Vortrag wie abgesprochen eine volle Stunde. Das war eine glatte sechs und er war sehr sauer, das er mir keine sechs ins Zeugnis setzen konnte, denn ich war zu gut bei den Tests.
Ich beschloß ihn einfach zu ignorieren. Wir machten noch schnell einen zweiten Film: Die letzte Wette, die Verfilmung einer uralten Urban Legend. In einer Kneipe sitzen ein paar angetrunkene Zecher und beschliessen eine Mutprobe. Wer es wagt zum Friedhof zu gehen und dort ein Grabkreuz zu klauen, muß fortan nichts mehr bezahlen. Einer von Ihnen ist mutig und macht sich auf den Weg, holt ein Kreuz, bringt es in die Kneipe. Ein Bild des Toten ist darauf. Als er sich dieses Bild genauer ansieht, wechselt es und er sieht plötzlich sein Gesicht auf dem Kreuz. Er bekommt es mit der Angst zu tun und beschließt das Kreuz wieder zurückzubringen. Als er es gerade in den Boden rammen will wird er von dem Toten erwürgt. Man findet ihn am nächsten Tag.
Leider hätten wir für diesen Film richtige Schauspieler gebraucht, die Komparsen mit denen wir es machten waren sauschlecht und so ist auch der Film einfach nur Müll, aber technisch sauber umgesetzt.
Wir schrieben unsere Abschlußklausuren und ich bestand mit einem guten Notendurchschnitt. Fast alle hatten schon einen Job bei irgendeinem Sender, nur ich nicht, da ich ja nie Senderkontakte gehabt hatte. Doch dann geschah ein Wunder.
Rita eine Sportstudentin, jobbte auch in der Lichtpauserei in der ich nebenbei arbeitete. Irgendwann fragte sie mich, was ich eigentlich so mache. Ich sagte ihr das ich bald arbeitsloser Kameraassistent sei. Ist ja witzig entgegnete sie, meine Schwägerin ist Aufnahmeleiterin beim Film. Ich geh da immer als Statist hin, hast Du Lust mitzukommen ?
Na klar hatte ich Lust, es gab gutes Geld, wir sollten nur ein wenig tanzen, im Meadow einer Diskothek am Olivaer Platz. Der Film hieß Asphaltnacht und war von Peter Fratscher, Kameramann war Bernd Heinl. Wir machten uns auf den Weg in die große weite Welt des Films. Ich konnte nicht ahnen das dies mein Glückstag war.