Montag, 5. März 2007

Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo

Es war schon etwas abartig in Teenie Discos zu verkehren und kleine Mädchen und kleine Jungs zu beobachten. Da gab es schon einige Sprüche zu hören wie Spanner, Kinderf... usw. Das schlimme war nur das dort tatsächlich viele ältere Männer verkehrten, um kleine Mädchen abzuschleppen.
Wir kamen mit dem Casting gut voran und irgendwann brachte Babette, die Regieassistentin Kathrin mit. Sie war 13 und wirklich begabt und wir waren uns alle einig, das sie die Hauptrolle bekommen sollte, sie war einfach mit Abstand die Beste.
Bei den Jungs waren wir weniger erfolgreich. Den Typen, der für die Hauptrolle auserkoren wurde fand ich persönlich zu blass, zu unbegabt, aber ich war ja nur ein kleines Licht und hatte keine Entscheidung zu treffen, obwohl natürlich jeder ohne Probleme seine Meinung sagen konnte.
Ab sofort machten Hans und Jürgen die Probeaufnahmen mit dem Paar nur noch auf Film nicht auf Video und Kathrin spielte ihren Partner immer an die Wand. Es gab noch ein anderes Problem, egal wie Kathrin geschminkt wurde, sie war einfach zu hübsch. Sie sah immer zu gesund aus und nie wie eine Fixerin. Als ich eines Tages ins Produktionsbüro kam erfuhr ich das Kathrin doch nicht die Hauptrolle bekommen sollte.
Nachdem sie einige Tage lang wie die zukünftige Hauptdarstellerin behandelt worden war, hatte man ihr einfach so gesagt, das sie die Rolle nicht bekäme. Die Entscheidung war richtig aber die Art wie man es ihr gesagt hatte war nicht OK gegenüber einem dreizehnjährigen Mädchen. Kathrin irrte enttäuscht und heulend durch die Stadt, aber Hans der Kamera-Assistent war sofort losgefahren und suchte sie. Er fand sie und kümmerte sich in den nächsten Tagen um sie. Die beiden heirateten einige Jahre später.
Eine neue Hauptdarstellerin wurde schnell gefunden. Sie hieß Nadja Brunckhorst, war ebenfalls sehr begabt und damit war das Casting beendet.
Mittlerweile gab es eine neue Erfindung im filmtechnischen Bereich, Steadycam hieß sie. Der Kameramann trug dabei eine Art Korsett, ohne Strapse selbstverständlich, auf einem Gelenkarm der aus dem Korsett ragte wurde die Kamera installiert, kardanisch aufgehängt. Nun konnte der Kameramann damit Personen folgen ohne das es sehr wackelte. Das Kamerabild wurde auf einen kleinen Monitor ausgespiegelt, sodaß er sehen konnte was gerade im Bild war. Wir waren glaube ich die ersten in Deutschland die dann diese Erfindung in einem Film verwendeten.
Jürgen ließ sich die Steadycam sofort kommen.
Einige Wochen später sollten die Dreharbeiten beginnen, aber es war nicht ganz klar ob ich dabei sein würde.
Ich nahm sicherheitshalber erstmal einen Job in München beim ZDF an. Die Kameramänner waren sehr nett, bis auf einen der hieß Hammerstingl, er lehnte ab mit einem Assistenten aus Preussen zu arbeiten. Als ich mal den Dienstwagen mit dem Heck zur Wand eingeparkt hatte, fand ich sofort einen Zettel in meinem Fach auf dem stand: wenn 9 Wagen mit der Front zur Wand einparken, dann sollte das der zehnte auch tun. Er war ein Pedant und ein Urbayer. Der Job war nicht uninteressant, besonders ein Dreh bei Franz Josef Strauss zu Hause. So sehr man ihn politisch hassen konnte, privat war er ein Supertyp. Nachdem wir fertig gedreht hatten und die Kamera verpackt war, zog er vom Leder, lästerte über Helmut Kohl und den Rest der Welt, ein brillianter Kopf und perfekter, humorvoller Gastgeber, er füllte uns derartig ab, blieb selbst aber zu unserer Verblüffung völlig nüchtern.
Mit einem Aufnahmeantrag der CSU in der Hand und einigen Aufklebern mit einem Porträt von Franz Josef kehrte ich sturzbetrunken in mein Hotel zurück.
In München hatte ich allerhand Probleme mit dem Dresscode, mit meiner Lederjacke kam ich fast in keine Disco. Nur einmal hatte ich Zuritt zu einer Nobeldisco, denn Uli Edel unser Regisseur, der in München wohnte, hatte mich eingeladen. Zusammen mit Bernd Eichinger, dem Produzenten des Films, dem Platzhirsch der Medienbranche von München hatte ich natürlich keine Mühe reinzukommen. Das war aber überhaupt nicht meine Preisklasse.
Sonst ging ging ich ab und zu in eine Studentendisco in der Nähe des olympischen Dorfes. Eines Abend saß ich da so bei einer Cola ( ja Cola, ich saufe erst seit kurzem ), da kam eine tierisch hässliche Frau herein. Sie konnte ja nichts dafür und vielleicht war sie auch nicht so hässlich, nur ich fand sie unattraktiv. Jedenfalls steuerte sie direkt meinen Tisch an und baggerte mich sofort an. Das war für mich ein Zeichen, München war nicht meine Stadt. Im Hotel fand ich einen Zettel in meinem Fach: Bitte zurückrufen, Solaris Film. Aufgeregt rief ich am nächsten Morgen an. Ich hatte den Job, ich war Materialassistent bei „ Wir Kinder vom Bahnhof Zoo „ und die Bezahlung war auch nicht schlecht. In der kommenden Woche sollte es losgehen, ich verließ München zwei Tage später.

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