Sonntag, 18. Februar 2007

Ein Landei in der großen Stadt, Teil 2

Ein Landei in der großen Stadt, Teil 2
Total fertig kam ich bei Gert an, nachdem ich mich etwa 10 mal verfahren hatte. Berlin Moabit war nun meine neue Heimat. Ich war total begeistert. Berlin hatte ungefähr zehnmal soviel Kneipen und Discos wie meine Heimatstadt Häuser, ich hätte Jahre gebraucht um alle zu besuchen, also konzentrierte ich mich auf wenige.
Gert war eine Seele von Mensch, relativ arbeitsscheu, was damals zu Zeiten üppigen Arbeitslosengeldes kein Problem war. Leider änderte sich sein Charakter unter Alkoholeinfluss sehr heftig, aber das richtete sich nicht gegen mich, sondern vorwiegend gegen Staatsdiener. Er verkehrte gerne im Polkwitz, einer Saufkneipe am Olivaer Platz.
Ich machte mich lieber auf die Suche nach einem Job, hatte erwartet das alle auf mich warten, aber das war leider eine Illusion. Zudem konnte ich ja auch nichts vorweisen, kam ja direkt von der Schule ohne Abitur.
Gleich am nächsten Abend kam Gert gegen Mitternacht nach Hause, sturzbetrunken und zeigte mir ganz stolz einen Strafzettel, den er gerade erhalten hatte: Trunkenheit im Straßenverkehr als Fußgänger - kostete damals 20 Mark. Mir war bis dahin völlig unbekannt, das es ein solches Delikt überhaupt gab.
Gert lebte in Scheidung, seine Ex arbeitete im Grunewald bei einer stinkreichen Familie, deren Firma Elektroherde herstellte. Sie wohnte auch dort. Eines nachts kam er auf die Idee, das der Fernseher den seine Ex mitgenommen hatte, eigentlich ihm gehörte. Also machte er sich hackebreit auf den Weg, suchte seine Ex auf und als die nicht öffnete, trat er die Tür ein, nahm den Fernseher und ging. Diese hatte natürlich sofort die Polizei angerufen als er krakeelent vor der Tür stand und als Gert mit dem Fernseher gerade zur Strasse gehen wollte, wurde er von seinen Freunden den Staatsdienern schon empfangen. Auf die Ermahnung den Fernseher doch zurückzubringen, ließ er ihn vor die Füße der Polizisten fallen. Es sei ja sein Fernseher und er könne damit machen was er wolle. Mit dieser Aktion brachte er es immerhin auf die Titelseite der BZ der Bild Zeitung von Berlin, davon träumen viele, Gert schaffte sowas ohne Probleme.
Gott sei Dank fand ich bald einen Job als Fahrer in einer Lichtpauserei. Dies war der wichtigste Kontakt überhaupt, wie sich später herausstellen sollte, er ebnete mir den Weg ins Filmbusiness.
Volker, der Chef trank auch ganz gern mal einen über den Durst und seine Frau verprasste das Geld was er verdiente. Beide waren aber supernett.
Es ging nun auf Weihnachten zu als ich plötzlich durch lautes Gehämmere an der Tür wach wurde. Ich stand auf und hörte Gert rufen, laß mich schnell rein, ich hab keinen Schlüssel.
Ich machte auf. Gert schloß die Tür sofort wieder ab, er hatte ein schönes blaues Veilchen.
Er ging zum Fenster, da standen inzwischen an die 10 Taxen. Des Rätsels Lösung: Gert war mit dem Taxi gekommen, hatte sich mit dem Fahrer wegen des Fahrpreises gestritten, nicht den vollen Preis bezahlt und dieser hatte ihm sofort aufs Auge geschlagen. Gert war ins Haus geflüchtet und befürchtete nun die Lynchjustiz der Taxifahrer, denn sein Fahrer hatte Verstärkung geholt. Also rief Gert die Polizei an und bat volltrunken um Hilfe. Nach 10 Minuten wummerte es an der Tür: Aufmachen. Gert verstand das völlig falsch und dachte das seien die Taxifahrer. Also nahm er einen Spielzeugdegen der irgendwo herumlag ging zum Briefschlitz, stocherte hindurch und schrie: Haut ab ihr bekommt kein Geld. Aufmachen Polizei, hörte ich nur und dann wummerte es derartig gegen die Tür, das der Putz herunterfiel.
Ich machte auf. Zwei Polizisten stürzten sich sofort auf mich, doch ein Taxifahrer der daneben stand sagte: Nee, der war et nich, der andere und zeigte auf Gert.
Sie nahmen Gert in die Mangel und nahmen ihn mit.
Um 6 Uhr hämmerte es erneut gegen die Tür. Ich machte freiwillig auf, es war die Kripo, die zu nachtschlafender Zeit mich vernehmen wollte.
Ich erzählte ihnen das Gert selbst die Polizei gerufen hatte und zeigte ihnen den Gummidegen. Ich rechnete fest damit das er abends wieder zu Hause sein würde. Weit gefehlt. Mordversuch gegen einen Polizeibeamten lautete die Anklage - die wurde zwar wieder fallen gelassen, aber erst nach 4 Wochen Untersuchungshaft.
Ich beschloß mir eine eigene Wohnung zu suchen und fand auch bald eine, trotz der Wohnungsnot in Berlin: Potsdamerstr. 63 lautete die Adresse. Dort wurde alles noch schlimmer, denn ich hatte eine Wohnung im übelsten Appartmentkomplex von Berlin gefunden, dort wohnte der Abschaum der Menschheit und ich mittendrin.

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