Montag, 9. Juni 2008

Der Unhold und Reise in ein verborg(dorb)enes Leben

Der Unhold
Nach Wochen hard werken ( das ist nicht falsch geschrieben, aber holländisch ) gehts nun regelmässig weiter, versprochen !
Leider kann ich den Namen des folgenden Mannes nicht nennen, denn er würde sofort klagen und versuchen mich zu vernichten. Aber alles was ich über ihn schreibe entspricht der Wahrheit. Ich habe es entweder selbst erlebt oder aus absolut verlässlichen Quellen Er ist mächtig und nutzt seine Macht aus wie kein anderer.
Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der mir auf Anhieb so unsympathisch war. Stechende, kalte, blaue Augen, wie ein Raubvogel mustert er lauernd seine Umgebung. Man glaubt nur zwei Gefühlsregungen darin erkennen zu können: Desinteresse und Verachtung. Er verachtet die Menschen, behandelt sie wie den letzten Dreck - wenn die Definition eines Alpha-Tieres oder Leitwolfs seine Berechtigung hat, dann bei ihm. Was sich ihm nicht bedingungslos unterwirft wird vernichtet.
Er hält sich für den grössten Regisseur Deutschlands und hat zweifellos einige gute Filme gemacht, aber auch deshalb weil er mit grossen Budgets dreht und damit auch die besten Schauspieler engagieren kann.
Ich habe ihn zwar als überdurchschnittlich kennen gelernt aber keinesfalls als genial. Wer sich mit ihm anlegt kommt auf eine schwarze Liste und hat es fortan schwer Arbeit in der Branche zu bekommen, denn der Unhold hat grossen Einfluss ( gehabt - ich weiss nicht ob das heute auch noch zutrifft ).
Als in den siebziger Jahren die ersten Berufsverbote auftauchten für Linke die in den Staatsdienst wollten, war ich total dagegen. Als ich den Unhold kennen lernte wurde ich dann ein grosser Fürsprecher der Berufsverbote, aber nur in seinem Fall. Dieser Mann gehört ins Gefängnis wegen sexueller Nötigung und sollte seinen Beruf nicht mehr ausüben dürfen.
Als ich anfing in der Branche, hörte ich immer wieder Stories über die so genannte Besetzungscouch. Auf der waren früher ( dreissiger bis sechziger Jahre ) Starlets und junge Schauspielerinnen ( freiwillig ) gerne mal, wenn Sie für eine Rolle vorsprachen Regisseuren und Produzenten zu Willen, um schneller Karriere zu machen. Das hat anscheinend auch gut funktioniert und es gibt einige sehr gute, ältere, internationale Schauspielerinnen die dazu stehen, das sie auf diese Weise angefangen haben.
In den achtziger Jahren, dachte ich, gibt es so was nicht mehr. Weit gefehlt. Der Unhold ist viel schlimmer. Er engagiert für seine weiblichen Hauptrollen Schauspielerinnen mit denen er unbedingt mal ins Bett will und dann wird er richtig widerlich.
Als ich mit ihm drehte wusste ich von all dem nichts. Der Unhold zeigte mir während der ersten Drehtage, an denen unsere Hauptdarstellerin nicht dabei war, mal ein Bild von ihr und meinte nur: Attraktive Frau, nicht wahr ? Ich nickte nur.
Dann warnten mich unsere Requisiteure vor, die schon mehrere Filme mit ihm gemacht hatten und erzählten mir haarklein, was passieren würde und wie der Unhold vorgehen würde. Ich dachte die verarschen mich, aber es geschah genau so wie sie es mir erzählt hatten.
Einige Tage später kam unsere Hauptdarstellerin an. Die ersten drei Tage ließ er sie in Ruhe, hofierte sie sogar. Dann plötzlich und völlig unerwartet bebte das Set. Der Regisseur brüllte die Darstellerin völlig grundlos an, bei einer völlig nichtigen Szene: das ist keine Kunst, das ist Karstadt was Du hier spielst, Du bist völlig unbegabt, ich weiß nicht wie Du es soweit bringen konntest, Du solltest den Beruf wechseln usw.
Wir ( das Team ) gingen einfach weg, nach dem Motto, ohne Publikum macht das fertig machen von jemand bestimmt keinen Spass. Das brachte ihn völlig auf die Palme. Ihr bleibt hier sonst schicke ich Euch alle nach Hause, ich will weiterdrehen, schrie er. Den ganzen Tag machte er die arme Frau ( eine wirklich gute und engagierte Schauspielerin ) fertig, egal was Sie auch spielte. Die anderen Schauspieler wurden natürlich auch nervös, denn die Luft brannte im wahrsten Sinne des Wortes und wurden immer schlechter, versprachen sich, vergassen ihren Text, spielten lustlos - das interessierte den Unhold überhaupt nicht, kein Wort der Kritik kam über seine Lippen ( und so ein Arsch glaubt das er der beste deutsche Regisseur ist ). Nur sein Opfer musste leiden, tagelang, bis die Stimmung plötzlich umschlug. Plötzlich war sie die Grösste, er war charmant zu ihr, hofierte sie und machte ihr Komplimente - das war etwa ab dem Tag, an dem ich ihn zum ersten Mal aus dem Zimmer unserer Hauptdarstellerin kommen sah. Hony soit, qui mal y pense.
Sein Verhalten ist in der Branche bekannt, viele wissen davon, es ist ein absolut offenes Geheimnis und keineswegs Insiderwissen, doch keiner hatte je den Mut ihn anzuzeigen, kein Opfer hat sich gewehrt oder Klage erhoben. Alle, inklusive mir hatten Angst nie wieder Arbeit zu bekommen.
Ich habe keine Ahnung wie viele Frauen er damit kaputt gemacht hat, aber vier oder fünf Schauspielerinnen haben Kinder von ihm.
Vielleicht versteht ihr jetzt warum ich für Berufsverbote bin, man muss solchen Menschen das Handwerk legen, sie gehören einfach in den Knast.

Reise in ein verborgenes Leben
Hans Günther Bücking hatte einen neuen Film. Regie sollte Hans Neuenfels machen, ein renommierter Theaterregisseur. Produzent war Regina Ziegler. Hörte sich interessant an. Wir trafen uns im Cafe Untreu ( gibt es nicht mehr )in der Bleibtreustrasse. Neuenfels war hochintelligent, ich habe niemals mehr einen Menschen getroffen, der so gebildet war zumindest auf kulturellem Gebiet. Das Neuenfels nicht gerade eine Leuchte in Geschichte war stellte sich erst später heraus. Ich gebe einfach mal sicherheitshalber vorab zu, das ich ein totaler Banause bin was Theater und Oper betrifft, damit erklärt sich dann auch die nun folgende Peinlichkeit. Neuenfels fragte uns was wir zuletzt im Theater gesehen hätten. Ich hatte mehrmals mit dem ZDF im Theater gedreht, war aber alles Boulevardtheater deshalb war es mir eher peinlich da einen Titel zu nennen ( freiwillig habe ich selten eines betreten ). Da kam mir ein spontaner Einfall. „ Alles im Garten - in Frankfurt „ sagte ich, das hatte ich mal als fünfzehnjähriger in Frankfurt gesehen, bei einem Schulausflug. Ich hoffte das das Stück so unbedeutend war das Neuenfels es nicht kannte.
Ihm verschlug es die Sprache. „ Das wurde in Frankfurt nur mal Ende der sechziger Jahre aufgeführt „, sagte er. Er hatte mich ertappt. Dummerweise wusste ich nicht das Neuenfels vorher das „ Enfant Terrible „ der Frankfurter Theaterszene gewesen war. Ziemlich peinlicher Einstand von mir. Bücking war aber auch nicht viel besser dran.
Ein Drehbuch gab es nicht, das wollte Neuenfels während des Drehs schreiben. Reise in ein verborgenes Leben sollte das Meisterwerk heissen und Jean Genets ( Jean wer ? ) Leben verfilmen. Ich hatte zwar mal den Namen gehört, aber hatte keine Ahnung das wir damit mal wieder an eine Schwulengeschichte geraten waren.
Etwa ab dem dritten Drehtag hiess der Film dann für mich: Reise in ein verdorbenes Leben.
Motive gab es noch nicht, sollte alles vor Ort gesucht werden, Hotels gab es auch nicht, sollte der Aufnahmeleiter vor Ort suchen, der aus Paris kam und der Sohn des dortigen Direktors des Goethe-Instituts war, den Neuenfels wohl kannte.
Charleville-Mezier sollte der erste Drehort sein, eine hässliche Industriestadt in den Ardennen. Wer je einen meiner Lieblingsfilme gesehen hat, nämlich „ Das Auge „ von Claude Miller mit Isabel Adjani und Michel Serrault, weiß wie es da aussieht. Die deprimierende Schlussszene spielt dort.
Ich kam dann auf die glorreiche Idee, da es ja noch keine Hotels und damit keinen Treffpunkt gab, uns einfach am Marktplatz zu treffen, in der nächstgelegenen Kneipe.
So einfach so gut. Wir fuhren los. Es war Ende April und noch ziemlich kalt. Wir fuhren im Pulk, Neuenfels kam später nach, die Schauspieler kamen aus Frankfurt, der Aufnahmeleiter kam mit dem Zug aus Paris.
Gegen 19 Uhr waren wir da, parkten unsere Autos mit den deutschen Nummernschildern direkt auf dem Marktplatz, legten fette Schilder ins Fenster mit dem Hinweis auf die Kneipe, in die wir dann gingen und die direkt am Platz lag.
Wer nicht kam war der Aufnahmeleiter, es wurde acht, es wurde neun, die Schauspieler kamen, es wurde zehn. Ab da waren eigentlich nur noch etwa 12 Deutsche in der Kneipe, die sich lautstark unterhielten. Gegen halb elf wollte der Wirt schliessen - noch immer kein Aufnahmeleiter da. Seit etwa zwei Stunden, saß in einer Ecke ein einsamer junger Mann, sollte das etwa mmmmh, nein so blöd kann niemand sein. Vielleicht doch. Ich ging hin, sprach ihn an, oh Wunder, es war unser Aufnahmeleiter, der trotzdem nur Deutsche in der Kneipe waren, nicht auf die Idee gekommen war, wir könnten das Team sein, auf das er wartete. Trotzdem brauchten wir ihn dringend, denn keiner außer ihm sprach vernünftiges Französisch.
Nun wollten wir uns zu einem Meeting ins Hotel zurückziehen, was uns, aber nicht gelang, denn der Aufnahmeleiter hatte zu Fuß vom Bahnhof kommend in jedem kleinen Hotel was auf dem Weg lag ein paar Zimmer gebucht, sodaß wir in 5 verschiedenen Hotel untergebracht waren, statt alle zusammen in einem grossen.
Am nächsten Morgen, Neuenfels war inzwischen da und Carlo Rola sein Regie-Assistent, gingen wir Motive suchen. Wir fanden einen superschönen kleinen Bahnhof, ein schöneres Bahnhofsmotiv habe ich seitdem nie wieder gesehen. Der Zug kommt wegen eines Berges aus einen Tunnel, nach etwa 200m kommt der Bahnhof und nach weiteren 500 Metern verschwindet der Zug wieder in einem Tunnel, einfach traumhaft.
Da der Aufnahmeleiter sehr schüchtern war, oder einfach nur eine Sprachamöbe, waren immer wieder meine dürftigen Sprachkenntnisse gefragt. Leider hatte ich eine recht gute Aussprache, dadurch überschätzen meine französischen Gesprächspartner immer wieder erheblich meine Kenntnisse, was zur Folge hatte, dass sie zwar verstanden was ich wollte, ihre Antwort mir aber unverständlich blieb. Oder kurz gesagt, ich verstand nur Bahnhof. Neuenfels war aber auch nicht besser.
Während Neuenfels und ich also gerade mit dem Bahnhofsvorsteher um die Drehgenehmigung für sein schönes Stück feilschten, sah ich wie unser genialer Aufnahmeleiter seine Hose öffnete und im Hintergrund an den frisch getünchten Bahnhof urinierte. Leider bekam das auch der Bahnhofsvorsteher mit. Es kostete uns danach viel Arbeit trotzdem die Drehgenehmigung zu bekommen.
Abends bekamen wir dann kleine, handgeschriebene unleserliche Zettel, das war das Drehbuch für den nächsten Tag.
Wir wollten einige Motorradfahrten mit einem alten Motorrad drehen. Das wurde gerade von einem der Schauspieler, auch so eine Intelligenzbestie, aus Berlin persönlich überführt. Leider war es noch nicht angekommen, weil in Braunschweig der Gaszug gerissen war. Auch am nächsten Morgen war es noch nicht da, denn der Fahrer hatte irgendetwas aus Versehen kaputt gemacht. Man war aber guter Dinge für den nächsten Tag.
Wir drehten deshalb in einer Fabrikruine, früher waren hier mal die Schrauben für den Eiffelturm galvanisiert worden, heute war das Gebäude stark einsturzgefährdet. Wir wagten uns nur mit Helm rein. Die Schauspieler - ja richtige Schauspieler waren das ja nicht gerade, sondern eher junge Frankfurter Neuenfelsfans, ein Perser war dabei, der nichts besseres zu tun hatte, als dem Aufnahmeleiter sofort die Freundin auszuspannen, die nachgekommen war. Eine menschliche Tragödie jagte die andere. Carlo der Regie-Assistent war eine Ausnahme, er hatte richtig was drauf und hat auch später Karriere gemacht.
Wir hatten gerade eine etwa 10 Meter lange Schienenfahrt vorbereitet, als der Unterbau einbrach und Bücking noch lachend vom Elemack fiel, bis seine Hand auf eine Brett schlug aus der ein rostiger Nagel lugte. Ein glatter Durchstich. Bücking war tapfer trotzdem wurde er sofort zum Arzt gefahren. Auf dem Weg zum Auto schrie Neuenfels noch hinterher: „ Fahrt ihn am besten zum Veterinär, die sind hier in der Gegend am Besten. „
Neuenfels hatte immer abstrusere Ideen, mal wurde einer seiner Schauspiellakaien ( Stefan der Hauptdarsteller ) nackend an einen kleinen Wasserfall gebunden. Diese Szene probte er endlos, bis Bücking und ich in unseren dicken Daunejacken ihm klarmachten, das es sicher nicht so angenehm sei, nackt im April an einem Wasserfall zu hängen und wenn er nicht sofort drehe, wir zusammenpacken würden und nach Hause fahren. Diese Drohung wirkte und wir setzten sie mehrmals täglich ein, wenn es zu arg wurde.
Mal hatte er die Idee, bei einer Taufszene in einem schweinekalten Saustall, statt schmutzigem Wasser, Gülle zu nehmen. Wir drohten mit Abreise. Mal wollte er in einer einsamen Kirche in erzkatholischer Gegend Stefan nackt auf den Altar legen, ihm eine Kerze in den After stecken und anzünden. Wir drohten mit Abreise - ausserdem hätten die Katholen uns dabei erwischt, sie hätten uns mit Recht erschlagen. So langsam wurde mir klar warum Neuenfels das „ Enfant Terrible „ der Theaterszene war und so langsam dürfte den Lesern klar werden warum wir den Film in „ Reise in ein verdorbenes Leben „ umgetauft hatten.
Es ist mir durchaus bewusst, dass wir mit unseren permanenten Abreisedrohungen, Neuenfels´ Kreativitätsschüben starke Fesseln anlegten, aber immerhin haben wir damit die Sendefähigkeit des Films gefördert ( eine Fernsehproduktion ) und wahrscheinlich das Überleben der Schauspieler gesichert.
De gesamte Inhalt des Films blieb uns ja bis dahin sowieso verborgen, da es ja kein Drehbuch gab und die Zettel unleserlich waren.
Der Film hat mir Jean Genet jedenfalls nicht gerade näher gebracht.
Carlo Rola hatte nur noch ein Problem. In einer Szene musste er mitspielen und irgendeinen auf den Mund küssen. Da er aus irgendeinem Dorf bei Frankfurt kam, jammerte die ganze Zeit nur noch: „ Wenn das einer dort sieht, kann ich mich zu Hause nicht mehr blicken lassen. „
Nun kam der Bahnhof an die Reihe. Stefan musste vom Bahnsteig auf die Gleise springen und sagen: „ Scheiße für mich, scheisse für mich .......“, keine Ahnung wie der Satz weiter ging. Neuenfels hatte wieder einmal eine geniale Idee. „ Ich brauch Scheisse „, sagte er, „ los holt Scheisse, denn Stefan muß natürlich in die Scheisse treten dabei. „ Seine Lakaien fuhren los. Stunden später sah man dann ein Auto mit geöffneten Fenster von weitem heranfahren. Plastiktüten wurden rausgehalten. Es stank bestialisch. Natürlich ist es nicht ganz einfach ohne Französischkenntnisse loszufahren und nach Scheisse zu fragen. Trotzdem waren die Jungs erfolgreich. Um den Meister nicht zu verärgern hatten sie Scheisse in allen erdenklichen Zustandsformen gesucht und auch gefunden. Auf dem Rücksitz in Eierkartons hatten sie verschiedenfarbige Scheisse von fester Konsistenz aber mit farblichen Unterschieden. In den Plastiktüten hatten sie die etwas flüssigeren Exkremente.
Ich ging um die Ecke um mich zu übergeben. Neuenfels suchte sich seine Lieblingsscheisse aus und wir drehten das ganze ziemlich total. Es wäre also egal gewesen, ob da wirklich Scheisse gelegen hätte.
Unser nächster Drehort stand auf dem Programm: Brest in der Bretagne.
Brest hat eine traumhafte Altstadt hatte uns Neuenfels erzählt, wenn ihr irgendwo die Kamera aufstellt und dann ein neues Motiv sucht, braucht ihr Euch nur umzudrehen. Wir waren gespannt.


Bücking und ich kamen als erste in Brest an, Zeit genug um sich die Altstadt anzusehen. Doch so sehr wir auch dem Wegweiser „ Centre Ville „ folgten wir fanden sie nicht, merkwürdige Beschilderung. Wir hielten an und ich fragte den ersten Franzosen nach der Altstadt. Der ging einfach weiter. Hey, ich hatte bislang nur freundliche Bretonen kennengelernt und war überrascht. Ich fragte den Zweiten, der schüttelte den Kopf, wie jemand dem man eine saublöde Frage stellt und ging weiter. Der dritte zeigte mir den Vogel, der zehnte etwa klärte mich mit einem Blick auf unser deutsches Nummernschild freundlicherweise auf Deutsch auf. „ Sie als Deutsche sollten eigentlich wissen, das Brest keine Altstadt mehr hat“, sagte er freundlich. Jetzt fiel bei mir der Groschen. Brest war nicht von den Deutschen zerstört worden, aber die Alliierten hatten am Ende des zweiten Weltkrieges wegen der starken deutschen Militärpräsenz, die Stadt in Schutt und Asche gelegt.
Ich entschuldigte mich. Wir fuhren ins Hotel und warteten auf Neuenfels. Als er dann kam teilten wir ihm höhnisch unser neues Wissen mit. „ Das kann nicht sein“ polterte Neuenfels los, zerrte einen Stapel Feldpostkarten aus seinem Koffer und zeigte sie uns, „ und was ist das bitte schön, eine wunderbare Altstadt“. „ Mann da ist Adolf hinten als Briefmarke drauf“ sagte ich und Bücking sagte nur „ Viel Spaß bei der Motivsuche ich geh ins Bett“.
Wir fanden schnell ein geeignetes Motiv. Le Conquet hieß die malerische Stadt, unser Hotel lag traumhaft auf einer Klippe, direkt über dem Meer.
Neuenfels wollte am nächsten Tag in der Bucht unter dem Hotel drehen, eine kleine sehr steile Treppe war in die Stufen geschlagen, zu steil für unser Equipment. Da ich die Bretagne gut kannte und wußte das der Tidenhub teilweise bis zu 17 Metern beträgt ( der Unterschied des Wasserstandes zwischen Ebbe und Flut ) warnte ich davor und bat darum doch bitte nachzuprüfen wie lange wir Zeit zum drehen hätten.
„ Schon geklärt“ blaffte mich Neuenfels an, „ um 8 können wir drehen, die Flut kommt um 14 Uhr“.
Die Bucht hatte eine kleine Einfahrt. Es waren etwa 5 Meter zwischen Fels und Wasser. Als wir die Schienen für die Kamerafahrten ausgelegt hatten, waren es nur noch 3 Meter und dann mussten wir panisch einpacken und verschwinden. Um 10 Uhr bereits war die ganze Bucht unter Wasser.
Als ich einige Jahre später mit meiner damaligen Lebensgefährtin, einer sehr von sich selbst überzeugten ZDF Moderatorin und ihrem vierjährigen Sohn Urlaub in der Bretagne machte, liefen wir zu einer kleinen Insel etwa 300m vor der Küste. Ein betonierter Weg führte dort hin. Nach etwa 10 Minuten Aufenthalt sah ich das Wasser von den Seiten kommen. Ich schnappte mir den Jungen, warf ihn über die Schulter und sagte nur: „ Los renn oder willst Du 6 Stunden auf der Insel bleiben“. Sie schaute mich total entgeistert an, sagte nur „ Du Feigling, das bißchen Wasser, das dauert noch ewig, Du erschreckst nur das Kind“. Ich rannte sofort los und ließ sie fluchend stehen. Ich schaffte es noch, auf den letzten Metern stand mir das Wasser bis zu den Knien. Sie hatte zu lange gewartet und war zu langsam losgegangen, die letzten Meter mußte sie schwimmen, die teuren Schuhe waren hinüber - das zum Thema Tidenhub in der Bretagne.
Am nächsten Tag hatte Stefan unser Hauptdarsteller eine dicke Lippe. Was war passiert. Neuenfels hatte ihm Konzentrationsübungen empfohlen. Den Rumpf beugen, Augen schliessen, die Ohren zuhalten und den Oberkörper pendeln lassen. Das mag zwar gut für die Konzentration sein, ist aber überhaupt nicht gut für den Gleichgewichtssinn, folglich hatte Stefan das Gleichgewicht verloren und war auf die Lippe gefallen.
Im Hotel waren wir kurz vor dem Rausschmiß. Eines unserer hochverehrten Teammitglieder hatte sich im vollbesetzten Lokal im Suff ein Tischtuch um den Kopf gebunden und war auf Knien pöbelnd durchs Lokal gerobbt. Das fanden die Franzosen in ihrer sonntäglichen Abendgarderobe mit Recht nicht wirklich witzig.
Wir drehten noch einige Tage auf einem Leuchtturm nördlich von Le Conquet mit darunterliegendem deutschen Bunker, den ich einige Jahre später mal kaufen wollte, der aber leider nicht verkäuflich war.
Wir waren mit zwei Paaren in der Bretagne unterwegs. In Crozon oder Morgat gab es ein witziges Restaurant mit Kiesfussboden, da liefen Hühner herum, Hunde und das Essen war super. Die Wirtin war stets superauffällig Ton in Ton gekleidet, leider waren es meistens Schockfarben. Wir waren dort jeden Tag und die Wirtin beobachtete mich die ganze Zeit über. Sie hatte eine bildschöne Tochter, hochintelligent, etwa 22 Jahre alt und die schmachtete mich deutlich erkennbar an. Die Wirtin hatte inzwischen schon mitbekommen das ausser mir keiner Französisch sprach. Also kam sie mit der Speisekarte tat so als wolle Sie mir die Gerichte erklären, sagte aber stattdessen, meine Freundin immer wieder freundlich anlächelnd: „ pass mal auf mein Lieber, meine Tochter hat sich in Dich verknallt. Du fährst jetzt Deine Schnecke nach Deutschland, kommst sofort zurück, ich finde Dich auch sympathisch, Du wärst der ideale Schwiegersohn. Ihr werdet heiraten, Kinder haben und bekommt von mir den Laden geschenkt. Hauptsache sie heiratet keinen Franzosen ( die Bretonen mögen die Franzosen überhaupt nicht )“. Bitte mach meine Tochter einfach nur glücklich.
Leider war ich kein allein reisender Junggeselle, sonst wäre die Entscheidung denkbar einfach gewesen.
Das Angebot machte sie mir drei Tage lang, die Mitgift wurde immer größer und lag zum Schluß bei 300 000 Francs plus Restaurant. Obwohl ihre Tochter wirklich eine Schönheit war und sehr intelligent und ich Frankreich über alles liebte, bin ich nicht darauf eingegangen, schließlich liebte ich meine damalige Freundin. Wer weiß wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich es getan hätte, ernstgemeint war es allemal. Die Wirtin lauerte mir sogar auf, wollte mir Geld für die Rückreise geben um mich davon zu überzeugen das sie es wirklich ernst meinte.
Ich habe den anderen nichts davon erzählt. Mir blieb nur die Flucht, deshalb machte ich den ihnen den Vorschlag nach Le Conquet zu fahren und sagte ich wolle unbedingt den Leuchtturm kaufen. Interessieren würde es mich schon, ob es den Laden noch gibt und wen die Tochter nun geheiratet hat, statt meiner.
Auch unser Dreh ging langsam zu Ende, Neuenfels Zettel wurden immer dürftiger und wir beschlossen aufzuhören. Der SFB war vom Ergebnis ziemlich schockiert und verbannte den Film ins Nachtprogramm.
Das nächste Projekt von Hans war wieder ein Film mit Neuenfels, aber mein Bedarf an Neuenfels war gedeckt, deshalb Entschied ich mich für einen Film mit folgenden Drehorten: Genf, Hamburg, London, New York und Palm Springs. Ich war noch nie in den USA gewesen, deshalb stand mein Entschluß schnell fest.
Ich kam vom Regen in die Traufe.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Phantastisch. Sehr unterhaltsam. :)
Ich werde sicherlich öfter vorbeischauen.
Lieben Gruß.