Samstag, 23. Februar 2008

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, eine Ziege und die wilden Siebziger

Leider muß ich jetzt mal vom Thema abweichen, denn es gibt auch hier auf der Insel wichtigere Sachen, die so passieren und die eine Meldung wert sind. Mit Wir Kinder vom Bahnhof Zoo geht das nächste mal weiter.
Also ich bin gerade auf dem Weg zum Einkaufen gegen halb sechs abends. Ich wohne in einem Neubaugebiet, aber da stehen erst wenige Häuser. Ich habe gerade das letzte Haus passiert das im Rohbau ist und schau gelangweilt nach rechts. Was ist das, was torkelt da durch die Gegend. Vollbremsung. Tatsächlich eine kleine, neugeborene Ziege, noch ganz feucht, mit herabhängender Nabelschnur torkelt sie da durch die Gegend, kann noch gar nicht richtig laufen und versucht überall dran zu nuckeln. Weit und breit sind keine anderen Ziegen zu sehen.
Hin und wieder ziehen Ziegenherden durch unsere Gegend, von einer dieser Ziegenherden muß das Kleine sein, von der Mutter verlassen, ein Findelkind. Die kleine Ziege hat unheimlich viel Glück gehabt, denn es laufen eine Menge Hunde hier in der Gegend herum, die hätten sie zerrissen, wenn sie sie gefunden hätten. Die Besitzer lassen ihre Hunde frei herumlaufen, denn es fahren nur wenige Autos.
Also gut, dann wird es nichts mit Lebensmittel einkaufen. Ich rufe Marcel an, der Besitzer des Hauses in dem ich wohne, der hat auch ne Herde. Natürlich ist er nicht da. Ich also raus aus dem Auto und vorsichtig auf die Ziege zu, die hatte noch keine Angst und lief nicht weg. Ich nahm sie auf den Arm und jetzt klopfte das kleine Herz ganz aufgeregt. Ich legte die kleine Ziege vorsichtig vor den Beifahrersitz und fuhr nach Hause. Sofort nuckelte das kleine Tier, das schon heftig nach Ziege roch an den Sitzbezügen.
In einer Minute war ich zu Hause und ging sofort zu meinen Nachbarn nach einem Babyfläschchen fragen. Fehlanzeige - leider habe ich nur 2 Nachbarn, sonst wohnt da noch keiner. Ich erhielt zumindest ne Flasche und einen Gummihandschuh. In den piekte ich ein Loch und füllte Milch hinein.
Dann holte ich die Ziege ins Haus ( Photo ) und versuchte in den folgenden 2 Stunden Milch in das Tier hineinzubekommen, erfolglos. Das Tier nuckelte an allem, bloß nicht an den Daumen des Gummihandschuhs. Ich sah aus wie ein Schwein, der Fußboden war inzwischen voller Milch und die Ziege müffelte so vor sich hin, war unheimlich süß und erstaunlicherweise stubenrein. Ich rief das Tierheim an, den Tierschutzverein, keiner ging ans Telefon.
Dann klingelte mein Handy, Marcel mein Vermieter war dran, was ich wolle, wollte er wissen. Er kam sofort als er wußte was passiert war, brachte ein Fläschchen mit, drückte auf den Kiefer des Tieres, das den Mund aufmachte und dann den Nuckel in den Mund nahm und trank. Dann kam er mit ganz komischen Fragen, ob es ein Männchen oder ein Weibchen sei, welchen Namen ich ihm gegeben hätte.
Keine Ahnung, ich hatte nur verzweifelt versucht Milch in das Tier zu bekommen, da war keine Zeit für nebensächliche medizinische Untersuchungen oder banale Namensfindung. Es war jedenfalls ein Mädel. Es wurde nun in eine Kiste gepackt und wir fuhren zu Marcels Herde. Eine seiner Ziegen hatte 3 von 4 Jungen verloren und wir waren nun gespannt ob sie das kleine Ziegenwesen annehmen würde. Schnüffel, Schnüffel, es waren spannende Minuten, bis sie das kleine dann ableckte und Trinken ließ.
Ich war stolz auf mich. Ich hatte ein kleines Ziegenleben gerettet und da ich nicht zum Einkaufen gekommen war ging ich nun ins Restaurant und aß ein paar Lammkoteletts ( das ist natürlich gelogen, ich hatte noch ne Pizza da ).
Da ich sowieso schon vom Thema abgewichen bin kann ich auch noch was anderes erzählen.
Nach der Ziegennummer schaute ich mir einen Horrorfilm auf DVD an - Wes Craven, last House on the left, langweiliger Film, schlechte Dialoge aber: am Anfang des Film spielt ein Musiktitel ( ... and the road leads to nowhere ), der mich wirklich wieder in die Zeit des Flowerpower zurückführte.
Ich hätte wetten können: das war Improved Sound Limited, doch leider stand nichts im Abspann, aber sie waren es nicht. Improved Sound Limited spielte mit u.a, Roy Black zusammen, Roy begann dann seine Schlagerkarriere, die Band machte progressive Beatmusik, so nannte man das damals. Ich werde mal Pink Hawthorn hochladen, wenn ich die Erlaubnis der Band bekomme , ein Titel von ISL, der das ganze Gefühl dieser Zeit rüberbringt, alle Platten vom ihnen gibts mittlerweile auf CD. Sehr zu empfehlen.
Ich kannte Improved Sound Limited seit 1971. Auf dem Herzberg, einer Burg im Hessischen fand damals ein deutsches Rockfestival statt, veranstaltet durch die Petards meiner Lieblingsband.
Das Jahr vorher hatten sich einige Hundert Fans in unsere Stadthalle verirrt, da wegen schlechten Wetters nicht auf der Burg gespielt werden konnte, 1971 ging dann die Post ab auf dem Herzberg, 10 Mark für zwei Tage, 12 Bands angekündigt, 20 spielten, darunter Can, Frumpy, Xhol, Birth Control, Achim Reichel, Guru Guru ( Manni Neumaier hatte immer seine eigene Klopapierrolle dabei ) und eben die Petards und Improved Sound Limited ( die machten später zum Beispiel die Filmmusik für Wim Wenders: Im Lauf der Zeit- http://www.improved-sound-limited.de/de/START.php ). Ich war Ordner, da ich einen Petardsfanclub hatte und sie auch gut kannte und mußte deshalb keinen Eintritt bezahlen. Ein wirklich geiles Festival, mit Tausenden von Besuchern. Werde Euch auch mal einen Titel der Petards mit hochladen ( falls sie es erlauben ), war ne supergeile Band mit vielen Hits ( http://www.thepetards.com/ ). Die hatten nicht nur geile Songs für diese Zeit sondern auch noch einen exzellenten Schlagzeuger Arno Dietrich, der oft mit Ginger Baker verglichen wurde.
Dieses Festival ist übrigens schuld daran, das ich nicht tanzen kann. Ich hatte mich zwar zur Tanzschule angemeldet und stehe da mit anderen am Einlaß für die erste Tanzstunde aber was passiert ? Roger Waldmann, der Bassist der Petards kommt mit seinem orangenen BMW 2002 TI vorbeigefahren, sieht mich da stehen, hält an und fragt mich, ob ich Lust hätte mit ihm zum Herzberg zu fahren, er müsse noch was für das Festival checken. Er hatte mich schon öfter zu Konzerten mitgenommen, ich hatte ja einen Fanclub und er war eines meiner Idole.
Natürlich hatte ich Lust mitzufahren, die Tanzstunde war vergessen, ich stieg ein, das wars dann mit Tanzen für den Rest meines Lebens ( kann schon Tanzen aber nicht klassisch ).
Jahre später mach ich eine Vera am Mittag Sendung als Regisseur zum Thema Starsearch usw.. Ich lese auf dem Sitzplan Klaus Ebert - Klaus Ebert ? das war doch der Komponist und Leadgitarrist und Komponist der Petards. Und tatsächlich, es war mein alter Bekannter Klaus von den Petards, der als Vertreter eine Plattenfirma in unserer Sendung Talente beurteilen sollte. Wir freuten uns beide sehr uns wiederzusehen. Dieser Klaus Ebert hat übrigens für seine Plattenfirma Dieter Bohlen am Anfang seiner Karriere mal begutachtet und dann abgelehnt und wurde deshalb von Bohlen in seinem Buch zerrissen. Klaus hat aber Recht gehabt, find ich, Bohlen ist kein guter Musiker und Komponist, das ist alles Müll.
Nächstes Mal gehts normal weiter mit Christiane F.

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo - Christiane F.
Jürgen Jürges unser Kameramann, einer der besten Deutschlands wurde entlassen. Jürgen ist sicher nicht einer der schnellsten, aber er ist hervorragend. Dieser Film war einer der ersten die Bernd Eichinger produzierte und ich gehe mal davon aus das man sich ein wenig verkalkuliert hatte. Das Buch war endlos lang, die Kinoversion hatte schon deutlich Überlänge. Die erste Schnittversion des Films war nochmals deutlich länger als die Kinoversion und wurde auf die Kinoversion gekürzt.
Hans Günther Bücking, Jürgens Assistent ging auch, aber sie sagten mir ich solle auf alle Fälle bleiben, um Erfahrung zu gewinnen. Das tat ich auch. Als Kameramann kam Justus Pankau, der Chefkameramann des SDR, eine Seele von Mensch, er war deutlich schneller als Jürgen, aber das ging auf Kosten der optischen Qualität, bei der Jürgen keine Kompromisse einging. Erster Assistent wurde Gert Stallmann, mit dem ich heute noch befreundet bin, er ist heute Professor an der TFH Berlin, an der ich später auch mal unterrichtet habe.
Meinen Mitstudenten Achim Poulheim hatte ich mittlerweile bei den Beleuchtern untergebracht
Die Dreharbeiten gingen weiter und keiner wußte wie lange. Die Verträge wurden nur wochenweise verlängert.
Hans hatte mittlerweile einen Job als Kameraassistent bei Michael Ballhaus. Dann bekam Jürgen einen kleinen neuen Film „ Berliner Stadtbahnbilder „. Hans war beschäftigt und o Wunder, Jürgen rief mich an. Erster Kameraassistent bei einem der besten Kameramänner Deutschlands, natürlich sagte ich zu.
Gert Stallmann hatte inzwischen auch einen neuen Job, also machte Achim Poulheim als erster Assistent bei Bahnhof Zoo weiter.
Jürgen und ich begannen mit den Dreharbeiten zum neuen Film. Die Berliner S-Bahn gehörte damals der DDR, drehen auch im Westen war verboten. Wir filmten die folgenden Wochen mit versteckter Kamera, illegal, immer auf der Flucht vor der Bahnpolizei, Jürgen hatte das Pech mehrmals fotografiert zu werden.
Bei der ersten Mustervorführung dachte ich schon das sei mein letzter Tag beim Film. Wir schauten uns das Material bei Geyer an. Wir hatten mit Highspeed Optiken gedreht, offene Blende und sehr geringe Schärfentiefe, das heißt wenn ich eine Person filme mit langer Brennweite und sie steht profilig zur Kamera ist das eine Auge scharf zu sehen, das zweite ist schon unscharf.
Immer wenn bei der Vorführung etwas groß ins Bild kam wurde das Bild unscharf und dann erst scharf. Ich versank immer tiefer im Sessel, dafür war ich verantwortlich, das alles auch scharf ist. Jürgen drehte sich nur zu mir um und sagte, da müssen wir aber das nächste Mal besser aufpassen.
Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Am nächsten Abend wurde das gesamte Material noch einmal angesehen, diesmal war der Produzent mit dabei. Ich machte mich schon auf meinen Rauswurf gefasst.
Oh Wunder, alles war scharf. Was war geschehen. Am Tag vorher war ein Aushilfsvorführer in der Projektion, der hatte null Erfahrung. Immer wenn etwas groß ins Bild kam, versuchte er am Projektor ganz vorsichtig neu scharf zu stellen. Meine Arbeit war also OK gewesen, der Vorführer hatte die Unschärfen verursacht, nur weil er es ganz vorsichtig gemacht hatte hatten wir nicht gemerkt, das es der Projektor war.
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Der Film war in wenigen Wochen abgedreht und Hans wurde krank, ich mußte ihn vertreten, als 1. Assistent bei Michael Ballhaus, mittlerweile der Kameramann von Martin Scorsese, mit mehreren Oscar Nominierungen. Er hat unter anderem the Departed, Gangs of New York, Wild Wild West, Air Force One, Sleepers, Outbreak und Goodfellas gedreht. Damals drehte er unter anderem die Fassbinder Filme.
Der Film ( kein Fassbinder Film, dem begegnete ich erst später ) hieß: das bin nicht ich das ist nur ein Bild von mir. Ich war ein Anfänger und dementsprechend nervös. Ballhaus war sehr unpersönlich, ich bin mit ihm nicht warm geworden. Ich war froh als der Dreh zu Ende war. Jürgen war total anders, bei Unsicherheiten konnte man ihn immer fragen, er nahm viel Rücksicht darauf, das ich erst am Anfang war, Ballhaus wollte das man seinen Job macht und sonst nichts.
Gott sei Dank war Hans nach 2 Tagen wieder gesund, ich war echt überfordert.
Da die Bahnpolizei Jürgen mehrmals fotografiert hatte, traute der sich nicht mehr mit seinem PKW durch die DDR zu fahren. Er hatte eine Motivbesichtigung in Nürnberg gehabt und bat mich seinen Wagen zurück nach Berlin zu fahren. Ich mußte nach Nürnberg fliegen. Das war mein allererster Flug, ich war 26 Jahre alt. Ich habe allerdings inzwischen alles nachgeholt und sicher ne halbe Million Flugkilometer auf dem Buckel.
Beim neuen Film von Jürgen machte jetzt wieder Hans Assistent und mir drohte die Arbeitslosigkeit.
Mit dem Arbeitsamt hatte ich schlechte Erfahrung. Als ich mich zum ersten Mal arbeitlos gemeldet hatte, als Cutter-Assistent, nachdem ich bei der Deutschen Synchron rausgeflogen war, hatte die Sachbearbeiterin nur gesagt als sie mein Zeugnis sah: Cutterassistent ? - wenn sie auf einem Schiff gearbeitet haben sind sie falsch bei mir.

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